Energieversorger bohren wieder ganz tief

Die erste Tiefengeothermie-Anlage Wiens kommt. OMV und Wien Energie bereiten Bohrungen bis zu 3.000 Meter Tiefe vor. Ziel ist klimaneutrale Fernwärme für bis zu 20.000 Haushalte ab 2028. Das Investionsvolumen beträgt 90 Millionen Euro.

Was 2012 aufgegeben wurde, wird nun doch noch wahr. In Wien Aspern soll die erste Tiefengeothermie-Anlage Wiens errichtet werden: OMV und Wien Energie haben mit dem Gemeinschaftsunternehmen deeep die erforderlichen Genehmigungsverfahren abgeschlossen und starten mit der Bohrplatzeinrichtung. „Wien hat ideale Voraussetzungen für die Nutzung von Tiefengeothermie“, sagt Peter Weinelt, Generaldirektor der Wiener Stadtwerke. Es ist dies nicht der erste Versuch heißes Wasser aus der Tiefe zu holen. Vor zwölf Jahren wurden die Bohrungen wegen schwieriger geologischer Formationen gestoppt. Damals wurden bereits 12 Millionen Euro in die Bohrungen investiert.

Derzeit bereitet deeep in Aspern (Wien-Donaustadt) den Bohrplatz für Tiefenbohrungen vor, die im Winter 2024/2025 anlaufen. Die Anlage soll künftig klimaneutrale Fernwärme für umgerechnet bis zu 20.000 Wiener Haushalte erzeugen. „Nach jahrelangen Forschungs- und Planungsarbeiten starten wir nun in die Umsetzung. Gemeinsam mit unserem Partner OMV haben wir letztes Jahr das Gemeinschaftsunternehmen deeep gegründet, um unsere Kräfte zu bündeln. Wir wollen die Tiefengeothermie nutzen, um die Wärmewende in Wien voranzutreiben und die Fernwärme bis 2040 klimaneutral zu erzeugen. Diesem Ziel kommen wir mit der Errichtung der ersten Tiefengeothermie-Anlage Wiens einen großen Schritt näher“, erklärt Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung.

Bohrung bis 3.000 Meter Tiefe

Die Tiefenbohrungen sind das Herzstück der Anlage. Sie gehen über 3.000 Meter in die Tiefe, um das heiße Formationswasser dort für die Wärmeerzeugung zu nutzen. Für den Untertage-Bereich ist OMV verantwortlich. „Wir greifen dabei auf unsere jahrzehntelange Erfahrung im Explorations- und Bohrgeschäft zurück. Mit der Errichtung des Bohrplatzes kommen wir nun der Erzeugung von nachhaltiger Fernwärme in Wien einen weiteren Schritt näher“, so Alfred Stern, Vorstandsvorsitzender der OMV Aktiengesellschaft.

Potenzial für bis zu 200.000 Haushalte

Die erste Tiefengeothermie-Anlage von deeep dient als Grundlage für den weiteren Ausbau der Geothermie in Wien. Insgesamt wollen OMV und Wien Energie Tiefengeothermie-Anlagen mit einer Leistung von bis zu 200 Megawatt entwickeln. Damit könnte klimaneutrale Fernwärme für umgerechnet bis zu 200.000 Wiener Haushalte erzeugt werden. Die Partner planen bis zu sieben Tiefengeothermie-Anlagen in Wien im Rahmen von Bohrprogrammen umzusetzen. Bei einem Bohrprogramm werden mehrere Bohrungen und Anlagenstandorte parallel geplant und errichtet. Dies hat den Vorteil, dass Ressourcen effizienter eingesetzt werden können. Der genaue Zeitplan für die Umsetzung sowie die Leistung dieser weiteren Anlagen ist von den Erkenntnissen aus der Pilotanlage in Aspern abhängig.

Am Rand der Seestadt

Der künftige Anlagenstandort befindet sich am Rande der Seestadt Aspern. Die Bohrplatzerrichtung dauert knapp drei Monate. In dieser Zeit baut das deeep-Projektteam auf dem künftigen Anlagengelände die Zufahrtswege, bereitet die notwendige Infrastruktur vor und richtet Baucontainer ein. Schlussendlich wird der Bohrturm für die Tiefenbohrungen aufgestellt. Auch ein Infocenter für Anrainer*innen und Interessent*innen entsteht am Bohrplatz. Noch im Winter 2024/2025 ist der Start der Bohrungen geplant.

Zur Tiefengeothermie

Tiefengeothermie soll die die Abhängigkeit von Energieimporten verringern und ist eine regionale Energiequelle. Sie ist außerdem 100 Prozent klimaneutral. Egal, wie kalt es draußen ist: Je tiefer es unter die Erdoberfläche geht, desto wärmer wird es. So ist das Wasser, das sich tiefer als 3.000 Meter unter der Erdoberfläche befindet, mehr als 100°C heiß. Dieses Heißwasservorkommen kann zur Fernwärme-Erzeugung eingesetzt werden. Die Förderung des Formationswasser aus dem Untergrund erfolgt mittels einer Förderpumpe. An der Oberfläche wird dem Wasser die Wärme mittels Wärmetauscher entzogen. Die gewonnene Wärme wird ins Fernwärmenetz eingespeist und verteilt. Das abgekühlte Wasser wird nach der Wärmeentnahme wieder in das ursprüngliche Reservoir rückgeführt.