Gebäude-Dekarbonisierung bis 2040 mit großen Fragezeichen
Eine aktuelle Studie von Branchenradar zeigt die Mega-Herausforderungen, die anstehen, um alle heimischen Gebäude bis 2040 klimaneutral zu machen. Abgesehen vom immensen Kapitalbedarf fehlen Handwerkskapazitäten, so Autor Andreas Kreutzer.
Rund 16 Prozent aller CO2-Emissionen fallen im Gebäudebereich an. Damit zählen Bauten hinter der Landwirtschaft und dem Verkehr zum drittgrößten Emittenten in Österreich. Anders als in der Landwirtschaft ist es bei den Gebäuden seit 2005 im Gebäudebereich zu einer deutlichen Reduktion von CO2 gekommen. 2005 betrugen die CO2-Äquivalente im Gebäudebestand 12,7 Millionen Tonnen, 2022 waren es 7,4 Millionen Tonnen.
Es ist also möglich die Emissionen zu senken. Über 90 Prozent des Einsparungspotenzials im Gebäudesektor können durch Fassaden-, Dach-, Fenster und Heizungssanierungen erzielt werden, so die Analyse von Branchenradar. Das Potenzial der einzelnen Segmente liege zwischen 22 Prozent bei Fenstern und Dach bis 25 Prozent bei der Fassade. Der Heizungserneuerung wird ein Einsparvolumen von 23 Prozent zugestanden. Dass dieser Sektor in der laufenden Förderperiode das bei weitem größte Fördergeldvolumen zugestanden wurde, erklärt der Inhaber von Branchenradar Andreas Kreutzer mit gelungenem Lobbying.
Er zweifelt nach der Analyse der Daten zum Gebäudebestand daran, dass Österreich es bis 2040 schafft seine Bauten klimaneutral zu bekommen. Immerhin gehe es um 1,86 Millionen Wohneinheiten, die seit ihrer Errichtung nicht oder nur teilweise thermisch/energetisch saniert wurden. Dazu kommen noch rund 222.000 Gewerbebauten, die vor 2001 errichtet wurden und damit als potenziell sanierungsbedürftig einzustufen sind.
Was fehlt sind Handwerker
Mit der derzeit in den Gewerken vorhandenen Arbeitskräften sei die Erreichung des Ziels nicht möglich, betont Kreutzer. Die Lehrabschlüsse in den für die thermisch/energetische Sanierung relevanten Berufen sei am Sinken, so Kreutzer. 2018 hätten noch 4.800 Auszubildende eine Lehre erfolgreich abgeschlossen, 2023 waren es nur mehr 3.622. Zwar sei die Zahl der Installateure mit Abschluss zuletzt leicht gestiegen, bei den Fassadengewerken ist der Schwund aber deftig. 2022 gab es bei Maler, Maurern und Metalltechnikern noch 909 Lehrabschlüsse, ein Jahr später bloß mehr 668.
Miz Zuwanderung werden man den Personalmangel in den Baugewerken nicht Herr werden ist Kreutzer überzeugt. Nur 7 Prozent der zugewanderten Arbeitsmigrant:innen verirrte sich in Bauberufen.
Das Mega-Milliarden-Ding
Was die Sanierung und Ertüchtigung dieses Bestandes in Euro bedeutet, zeigt das in der Studie errechnete Zahlenwerk. Anhand von Modellrechnungen hat Branchenradar den Zielpfad auf Plausibilität geprüft.
Für den Tausch der noch in Betrieb befindlichen 1,8 Millionen fossilen Heizsysteme würden Gesamtkosten von 61,6 Milliarden Euro (o. Ust.) anfallen. Pro Einheit setzt Branchenradar einen Finanzbedarf von gut 54.000 Euro an – inklusive Installation. Um das zu schaffen, stehen derzeit rund 6.500 Handwerker zur Verfügung. Das geht sich nach der Rechnung von Branchenradar nicht aus. Um die Klimaneutralität im Segment Heizung bis 2040 zu erreichen, bräuchte es eine jährliche Sanierungsrate von 2,0 Prozent. Tatsächlich beträgt diese derzeit 0,8 Prozent. Aus heutiger Sicht sei die Erreichung des Ziels 2046 wahrscheinlicher. Und die tatsächlichen anfallenden Kosten bis 2040 werden mit 45,4 Milliarden beziffert.
Fenster mit gutem Ausblick
Deutlich optimistischer ist Kreutzer, was die noch zu tauschenden 13,4 Millionen Fenster betrifft. Das könnte mit den verfügbaren Arbeitskräften im Jahr 2042 und einem Investment von 35,7 Milliarden Euro im Jahr erledigt sein.
Sorgensegmente Dach und Fassade
Düster sieht es hingegen bei Dächern und Fassaden aus. Das sind beides Segmente, bei denen der größten Sanierungsbedarf besteht. Bei Dächern beträgt das Sanierungsvolumen 332 Millionen Quadratmeter, oder kumulierte Gesamtkosten bis 2040 von 29,6 Milliarden Euro. Die Sanierungsquote bei Dächern beträgt derzeit jährlich 0,6 Prozent, diese müsste auf 2,6 Prozent gesteigert werden, so Kreutzers Rechnung. Nachdem das unwahrscheinlich ist, geht seine Berechnung davon aus, dass die Dächer erst im Jahr 2075 durchsaniert sind. Die kalkulierten Gesamtkosten bis dahin beziffert die Studie mit gut 89 Milliarden Euro.
Ebenso weit von der Klimaneutralität 2040 sind die Fassaden. 354 Millionen Quadratmeter stünden davon zur Sanierung an, was bis 2040 Kosten von 32,7 Milliarden Euro verursachen würde. Um dieses Ziel zu erreichen wäre eine jährliche Sanierungsquote von 2,9 Prozent erforderlich, tatsächlich beträgt sie 0,7 Prozent. Deshalb sei die Erreichung des Ziels von dem Jahr 2061 unwahrscheinlich. Damit würden sich die kalkulierten Gesamtkosten auf 72,6 Milliarden Euro erhöhen.
Insgesamt beziffert Kreutzer die Investitionssumme für eine Komplettsanierung des Gebäudebestands mit 259 Milliarden Euro. Aber selbst, wenn Österreich im Lotto gewinnen würde, braucht es noch mehr, so der Studienautor. Er tritt für gezielte Migration von Fachkräften ins Bauhandwerk ein. Weiters gelte es die Produktivität auf den Baustellen zu erhöhen, so Kreutzer. Und einen Tipp für die Politik hat er auch noch: Sie sollte die umfassende Sanierung von Gebäuden stärker fördern. Der Heizungstausch sollte nur bei thermisch optimierter Hülle erfolgen, so Kreutzer. Aber das ist vermutlich Lobbying.