Wien: Check-Liste für kreislauffähiges Bauen
Acht Kategorien und 30 Kriterien: Wissenschaftliches Projekt der Boku macht Kreislauffähigkeit am Bau messbar und erstellt eine Check-Liste für zirkuläres Bauen
Ab 2030 soll kreislauffähiges Planen und Bauen in Wien zum Standard bei Neubau und Sanierung sein, heißt es von der Stadt. Um diesen Standard verbindlich zu machen, sind klare Definitionen und Kriterien nötig. Mit diesem Ziel vor Augen hat die Stadt Wien Anfang 2023 die Universität für Bodenkultur beauftragt, Bewertungskriterien zur Beurteilung der Kreislauffähigkeit von Neubauten und Sanierungen zu entwickeln. Ein erstes Ergebnis eines solchen Zirkularitätsfaktors liegt nun vor. „Die Häuser der Gegenwart stehen seit jeher auf den Fundamenten ihrer Vorgänger. Gerade in wachsenden Metropolen wie Wien ist das mehr denn je zu beachten, damit die hohe Lebensqualität für Generationen gewahrt bleibt. Denn Rohstoffe stehen nur begrenzt zur Verfügung und im Sinne der Nachhaltigkeit gilt es auf vorhandene Ressourcen zurückzugreifen“, so Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál.
Die Kreislaufwirtschaft im Bauen beginnt schon vor dem Baustart. Entscheidend bei Neubau und Sanierungen ist es zu wissen, wie nachhaltig nutzbar ein Gebäude zukünftig sein wird. „Mit dem Zirkularitätsfaktor wird dies nun objektiv nachvollziehbar und mit einer eigenen Checklist auch für die Praxis anwendbar“, so Gaál.
Zirkularitätsfaktor 1.0 fertiggestellt
In einer kooperativen, schrittweisen und praxisorientierten Zusammenarbeit zwischen den relevanten Stellen und Unternehmungen der Stadt Wien und den Boku-Instituten für Hochbau, Holzbau und kreislaufgerechtes Bauen sowie für Abfall- und Kreislaufwirtschaft wurde der Zirkularitätsfaktor in der ersten Version kürzlich fertiggestellt. Der ZiFa 1.0 berücksichtigt in 8 Kategorien, beispielsweise Materialeinsatz, Ökobilanz, Flexibilität, Langlebigkeit sowie Rückbau und Recycling, insgesamt 30 einzelne Kriterien, wie den Anteil wiederverwendeter Materialien in der Herstellung oder die Rückbaufähigkeit der Konstruktion. Bei der Entwicklung des ZiFa wurden die bereits vorhandenen Erkenntnisse und die Vorgaben aus den wesentlichen rechtlichen Rahmenbedingungen – auch auf EU-Ebene – integriert. Das Ergebnis ist ein umfassendes Kriterien-Set sowie ein Entwurf für eine Systematik zur Bewertung von Maßnahmen in Neubau und Sanierung aus dem Blickwinkel der Kreislaufwirtschaft. In Summe bildet der ZiFa so jene Aspekte ab, die dazu beitragen, den Ressourcenverbrauch im Bauwesen zu reduzieren.
„Check-Liste“ für das zirkuläre Bauen
Im soeben veröffentlichten „Orientierungsleitfaden ZiFa 1.0“ sind neben den Hintergrundinformationen zum Projekt und den rechtlichen Rahmenbedingungen die 8 Kategorien und 30 Kriterien des Zirkularitätsfaktors dargestellt. Der Leitfaden kann so als eine Art „Check-Liste“ für das zirkuläre Bauen gelesen werden, die aufzeigt, welche Aspekte bereits in der Planung dazu beitragen, ressourcenschonendes Bauen und Sanieren zu unterstützen oder um die Kreislauffähigkeit von Bauprojekten bewertbar zu machen. Gleichzeitig ist der Leitfaden eine Grundlage für die künftige verbindliche Ausgestaltung kreislaufwirtschaftlicher Rahmenbedingungen im Bauwesen.
Erste Testanwendung
Um die praktische Anwendung der ZiFa 1.0-Kriterien zu untersuchen, werden diese mittels Reallabor bearbeitet: Im Rahmen verschiedener Workshops und unter Einbindung von Fachleuten aus Wissenschaft und Wirtschaft wird eine Grundlage für die Weiterentwicklung des ZiFa 1.0 geschaffen. In einem nächsten Schritt wird daran gearbeitet, die Kriterien in die Planungs- und Baupraxis zu überführen, um zu evaluieren, was bereits heute möglich ist und wo noch Herausforderungen für eine gelebte Kreislaufwirtschaft im Bauwesen liegen. Darauf aufbauend kann der ZiFa weiterentwickelt und optimiert werden – auch hinsichtlich sinnvoller Ziel- und Grenzwerte.