Warten auf die Sanierung

Karl Sagmeister, Geschäftsführer von Schneider Electric Österreich, über die Verlagerung von Kompetenzen, den Einsatz von KI und das zögerliche Anlaufen der umfassenden Sanierung.

Der Gebäudemarkt ist extrem volatil geworden. Die Gegebenheiten ändern sich sehr rasch und dafür brauche es Flexibilität, meint Karl Sagmeister, Geschäftsführer von Schneider Electric Österreich. Pauschal von einer Krise zu sprechen, gefällt ihm nicht. Es gäbe Segmente, die schwächeln und andere, die gut laufen. Worauf so gut wie alle Marktteilnehmer warten, ist die Offensive in der Sanierung. Die Erneuerung von Technik und Gebäudehüllen sei unumstritten notwendig, doch fehlt noch häufig die Motivation von Liegenschaftseigentümern und Investoren. Genau dieser Zielgruppe möchte Schneider Electric anhand konkreter Projekte verstärkt aufzeigen, welche Vorteile effizienzsteigernde Lösungen haben. Ebenfalls auf der Agenda steht der künftige Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Steuerung von Gebäuden, die Sagmeister mit Maß und Ziel eingesetzt wissen möchte. Details dazu und noch viel mehr, lesen Sie im Building Times-Exklusiv-Interview.

Interview: Karl Sagmeister

Building Times: 2024 startet wie 2023 geendet hat – so der Tenor aus vielen Unternehmen. Hin und wieder fällt der Begriff „Krise“. Wie sehen Sie die gegenwärtige Marktlage?

Karl Sagmeister: Krise ist ein schwieriges Wort und pauschal über eine Krise zu sprechen, ist nicht angebracht. Es gibt Segmente, die schwieriger sind und Branchenbereiche, die gut laufen. Wir leben in einer sehr volatilen Welt, wo sich die Marktgegebenheiten binnen sehr kurzen Zeitabständen – schon zwischen 3 und 6 Monaten – diametral ändern können. Das heißt, wir gehen ohne großes Übergangsszenario binnen 6 Monaten von einem sehr hohen Konjunkturlevel in ein sehr niedriges. Das geht heute sehr schnell und die Kunst ist es, sich flexibel anpassen zu können.

Building Times: Haben Sie bei Schneider Electric in Österreich Veränderungen vorgenommen, weil ein Segment schwächelt und ein anderes zugelegt hat?

Karl Sagmeister: Ja, durchaus. Das ist natürlich mit den Kompetenzen nicht so einfach, aber wir schauen uns laufend an, wo wir Personalkompetenzen anpassen müssen. Die Frage ist immer nur, ob sich die Änderungen der Segmente auch richtig vorhersehen lassen. Hier ist auch Flexibilität dringend geboten, um auf die Veränderung auch kurzfristig reagieren zu können.

Building Times: Derzeit ruht der Wohnbau, lässt sich das ausgleichen?

Karl Sagmeister: So eine Schwankung, wie wir sie aktuell im Wohnbau haben, lässt sich organisatorisch nicht ausgleichen. Das wäre illusorisch. Wir sind aber mit einem mehrstufigen Vertriebssystem am Markt und dadurch von Haus aus flexibler aufgestellt. Damit können auch unsere Partner, ob das jetzt ein Großhandelspartner oder ein Integrationspartner ist, ihre Kapazitäten dem Markt entsprechend anpassen.

Building Times: In welchen Marktsegment sehen Sie für das laufende Jahr eine deutlich positive Entwicklung?

Karl Sagmeister: Da muss man schon sehr differenzieren. Nach wie vor hat das Datencenter-Segment weiterhin viel Potenzial. Doch wo wir Potenzial erwarten, es aktuell aber noch nicht wirklich sehen, ist beim Thema Sanierung im Gebäude. Da warten, glaube ich, alle drauf. Zudem gibt es Industriezweige, wo man in großen Transformationsprozessen steckt oder diese kurz bevorstehen.

Building Times: Bleiben wir beim Thema Sanierung. Mit Automation lässt sich die Effizienz von Gebäuden deutlich erhöhen. Spürt man schon einen Rückenwind vom Markt bzw. gibt es da verstärkt Anfragen, um größere gewerbliche Immobilien zu sanieren?

Karl Sagmeister: Ja, die Nachfrage steigt. Immobilien-Investor:innen und Eigentümer:innen geraten unter Druck, weil sie Mieter:innen haben, die zunehmend solche Standards einfordern, sie aber nicht in der Lage sind, das mit den herkömmlichen Ansätzen zu bieten.

Building Times: Gilt das auch für hochwertige Büros?

Karl Sagmeister: Ja, durchaus. Zumindest sind mir etwa in Wien, was Bürogebäude angeht, persönlich keine Net Zero-Energy Buildings bekannt.

Building Times: Ist das in unseren Nachbarländern leichter?

Karl Sagmeister: Durchaus. Beispielsweise in Deutschland gibt es da deutlich mehr Bewegung. Dort sind auch die Finanzierungsvorteile für ein Gebäude nach den höchsten Nachhaltigkeits- und Effizienzstandards deutlich besser als in Österreich.

Building Times: Das heißt eigentlich, das Umwelt-Musterland Österreich gibt es zumindest im Bürobereich nicht.

Karl Sagmeister: Ja, durch den Föderalismus haben wir in den Bauregularien neun unterschiedliche Bauvorschriften. Das heißt, wir haben eine Bundesstrategie bis 2040. Und dann haben wir die Landesgesetze, die davon diametral abweichen. Das ist, glaube ich, ein spezifisch österreichisches Thema, dass es keinen nationalen Grundkonsens dazu gibt, was wir im Bereich der umfassenden energetischen Sanierung von Bestandsimmobilien wie erreichen wollen.

Building Times: Die Künstliche Intelligenz ist sehr präsent. Ist die KI in der Elektrotechnik noch wegzudenken?

Karl Sagmeister: Wegzudenken ist sie sicher nicht mehr. Die KI ist überall dort, wo es darum geht, große Datenmengen auszuwerten, schon im Einsatz. Die Fragestellung ist aber vielmehr, und das schauen wir uns sehr genau an, wo und wie KI in welcher Ausprägung eingesetzt werden muss. Wo macht es dann zum Beispiel auch Sinn, nicht mit dem komplexesten aller zur Verfügung stehenden Algorithmen reinzugehen, sondern auf konventionelle Lösungen zu setzen.

Building Times: Das heißt, eine KI-Light?

Karl Sagmeister: Womöglich reicht es in manchen Fällen, eine abgespeckte KI anzuwenden. Oder es genügt für einfache Automatisierungsaufgaben, Regelkreise zum Einsatz zu bringen, wie wir sie schon seit 30, 40 Jahren kennen. Die kann man optimieren, um einfach zu automatisieren und zu digitalisieren, ohne dass gleich eine KI notwendig ist. KI erfordert hohe Rechenleistung und viel Strom. Ganz besonders dort, wo KI trainiert wird und die Algorithmen angelernt werden.

Building Times: Wo steht die KI in Gebäuden?

Karl Sagmeister: Wir haben in Österreich noch kein Gebäude realisiert, in dem wir direkt mit den Ergebnissen aus der KI in die Regelungen eingegriffen haben, ohne dass da noch ein Mensch drüber geschaut hat. Aber die Applikationen bis dorthin, wo dann ein Co-Pilot oder ein Assistent zur Verfügung steht und Empfehlungen ausspricht, das ist durchaus schon üblich.

Building Times: Denken Sie, dass die menschenfreie Gebäudesteuerung kommen wird?

Karl Sagmeister: Ja. Ich glaube, sie wird kommen müssen. Wir haben solche Gebäude auch im Konzern, die sich komplett ohne den Menschen regeln. Diese erzielen dann Leistungskennzahlen von 30 oder 35 Watt pro Quadratmeter im Jahr. Aber das gelingt nur, wenn die Gebäudetechnik unabhängig vom Nutzer agiert, dessen Komfort und Bedürfnisse jedoch voll berücksichtigt.

Building Times: Anfang April wurden auf ihrem Innovation Summit in Paris eine ganze Reihe von Innovationen vorgestellt. Was davon wird in Österreich bald Realität werden?

Karl Sagmeister: Der Event in Paris zeigt, wie wir international mit unseren Lösungsmöglichkeiten aufgestellt sind. Es gibt da natürlich abgestuft Launch-Pläne für die einzelnen Länder, denn die Lösungen müssen auch an die Landesvorschriften und die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden. In Österreich hängt zum Beispiel viel vom neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz ab, wo man einfach schauen muss, was wie sinnvoll und möglich ist.

Building Times: Was zum Beispiel?

Karl Sagmeister: Am Beispiel der Energiegemeinschaft lässt sich die Thematik gut festmachen. Welche Komponenten, welche Schnittstellen und welche Protokolle werden künftig gebraucht? Ähnliche Fragen stellen sich auch bei der Smart Meter-Strategie. Was kann ein Smart Meter, was soll er künftig können und wie schaut die Schnittstelle zum Energiemanagementsystem aus?

Building Times: Österreich ist ja ein vergleichsweise kleiner Markt. Wird das Land von Schneider Electric als Testmarkt verwendet?

Karl Sagmeister: Es ist oft Pilotmarkt, aber nicht Testmarkt. Zumal wir auch viele spannende Innovationen haben, die aus Österreich stammen.

Building Times: Der Energieversorger in Oberösterreich hat die PV-Einspeiseverträge gekappt, andere werden folgen. Denken Sie, dass es jetzt zu einem Einbruch in der Photovoltaik kommt?

Karl Sagmeister: Die Rechenmodelle werden sich auf jeden Fall ändern. Ich glaube, dass kurzfristig eine Atempause kommen wird, weil die attraktiven Einspeisekonditionen wegfallen. Übrig bleiben sicher jene, deren Motivation nicht alleine eine rasche Amortisation des Investments ist.

Building Times: Themenwechsel zum E-Players-Kongress. Der war gut gemeint und gut organisiert. Gefehlt haben die Elektriker:innen. Sind Sie enttäuscht?

Karl Sagmeister: Diese Veranstaltung war ein Versuch, um uns auf die Messe im nächsten Jahr vorzubereiten und zu sehen, wo wir stehen. Die Messe wird vielleicht nicht perfekt sein, aber sie wird definitiv von dem profitieren, was wir jetzt gelernt haben. Beispielsweise haben wir sehr viel gelernt, was den Einladungsprozess und die zielgruppengerechte Ansprache betrifft.

Building Times: Die 300 Euro Teilnahmegebühr hat die Zielgruppe nicht gestört?

Karl Sagmeister: Die Vorträge waren sehr hochwertig. Um die dort gebotene Informationsdichte zu erreichen, müsste man sonst auf mehrere Events gehen und dort jeweils einige hundert Euro zahlen. Vielleicht war die Kommunikation noch nicht ganz klar und das Format muss sich erst etablieren. Unser Managementteam war jedoch geschlossen vor Ort, um die Kund:innen zu betreuen, aber auch, um zu lernen!

Building Times: Der Zukunftsforscher Herr Horx war auch in Linz und hat gemeint, die Branche hat noch nicht begriffen, dass sie mitten in einem Boom steckt. Geben Sie ihm Recht?

Karl Sagmeister: Nein, die Themen Digitalisierung, Elektrifizierung und Automatisierung sind in aller Munde und alle wissen um das Potenzial. Systeme, Netze oder Produktionsanlagen – alles wird immer intelligenter und erzeugt Daten, die aufbereitet, interpretiert und weiterverarbeitet werden müssen. Ich denke also, den Akteur:innen der Branche ist bewusst, dass die elektrische Energie die Zukunft ist und wir sollten alles tun, damit dieses Potenzial auch voll ausgeschöpft wird.

Building Times: Rechnen Sie in der Branche mit einer Spaltung zwischen denen, die innovativ sind, und denen, die sagen, ich ziehe meine Kabel im Wohnbau ein und die Geschichte hat sich?

Karl Sagmeister: Nein, das kann ich so nicht sagen. Es gibt Menschen, die stärker interessiert sind als andere, und die besuchen auch Veranstaltungen und Kongresse. Das hat es immer schon gegeben. Aber die 15 oder 20 %, die eine Volkswirtschaft als Innovationstreiber braucht, die haben wir auch in Österreich. Und natürlich wird auch für den Elektriker, der einfache Standardinstallationen machen möchte, Platz sein. Denn auch diesen brauchen wir.

Building Times: Ein letztes Thema: Gibt es noch ein spannendes Projekt, auf das Sie besonders stolz sind, über das Sie reden dürfen?

Karl Sagmeister: Wir machen sehr viele spannende Projekte. Kommen wir zum Beispiel zum Thema CO2-neutrale Bürogebäude zurück. In Deutschland haben wir dazu den Euref-Campus in Berlin und in Düsseldorf entsteht gerade ebenfalls ein solcher Campus. Dort fließt unser ganzes Know-how hinein und ist ein schönes Praxisbeispiel, wie sich schon heute die Klimaziele der deutschen Bundesregierung für 2040 erfüllen lassen. Wir reisen dort auch ein paar Mal im Jahr mit größeren Gruppen hin, die sich das anschauen, zurückkommen und sagen: Ja, das machen wir auch in Österreich!

Building Times: Was heißt das? Ein Entwickler könnte jetzt zu Ihnen kommen und sagen: Ich habe ein Projekt und möchte das in diesem Konzept umsetzen?

Karl Sagmeister: Genau, wir folgen im Consultingbereich aber einem anderen Ansatz. Das Energiekonzept ist eine Sache. Vorher kommt jedoch das Nutzungskonzept, wie auch das Mobilitätskonzept. Und ohne diese zu kennen, ist ein Energiekonzept kaum wirksam, weil man dafür die gesamte konzeptionelle Ausrichtung einbeziehen muss. Da gibt es sehr gute Planungsbüros am Markt, die wir dann mit den Investor:innen in Workshops zusammenbringen. Vielleicht sogar schon in Begleitung einer Baufirma, um die relevanten Beteiligten früh ins Boot zu holen und Brücken zu bauen.

Building Times: Das heißt, sie drehen den Zugang eigentlich um. Üblich ist doch, dass der Investor zur Architektin geht, und die nimmt sich einen Gebäudetechnikplaner und eine Energieplanerin.

Karl Sagmeister: Ja, doch wenn der Investor sich klar bekennt, ergibt es Sinn, dass sich alle an einen Tisch setzen und ein gemeinsames Konzept erarbeiten. Eines, das finanztechnisch, lieferzeitmäßig und umsetzungsmäßig gangbar ist. Wichtig sind dabei offene Standards, denn auf geschlossene Systeme und proprietäre Produkte reagieren Investor:innen berechtigterweise sehr allergisch. Mit offenen Standards erhält der Bauherr ein zukunftsoffenes System, bei dem nicht im Verlauf der Ausschreibung das Energiemonitoring oder das Lademanagement gestrichen oder die Gebäudeleittechnik abgespeckt werden muss.

Building Times: Und das Konzept kommt an?

Karl Sagmeister: Ja, auf jeden Fall. Ich werde mittlerweile von Investoren kontaktiert, die wissen, dass sie ihren Mieter:innen etwas anbieten müssen, was anders ausschaut als noch vor 10 Jahren, um einen Mietvertrag zu erhalten. Das Interesse ist also definitiv vorhanden.