Zukunftsfähig, komfortabel & schön
Die Architektin Ursula Schneider ist CEO des Architekturbüros POS Architekten. In ihrer Architektur ist CO2-Neutralität, Ressourcenschonung und Ökologie zentral. Sie hat den Studienlehrgang „Green Building“ am FH Campus Wien mitentwickelt und will mit Architektur Menschen die Möglichkeit zur Entwicklung geben.
Zukunftsfähig, klimasensitiv und wegweisend – das sind die Gebäude von POS Architekten. Dahinter steht die Architektin Ursula Schneider, die seit 2000 das Architekturbüro leitet. Ihr Fokus liegt seit mittlerweile über 30 Jahren in der gerade jetzt mehr denn je benötigten ökologischen und klimasensitiven Architektur.
Kreatives Denken
Zur Architektur selber ist sie durch ihre Großmutter gekommen. In einem Musikerhaushalt aufgewachsen zog sie es ursprünglich in die darstellende Kunst. Ihr Vater wünschte sich das nicht für sie, denn was heute unter dem nicht mehr gesellschaftskonformen Verhalten von „old white men“ läuft, war damals gerade in dem Bereich noch sehr üblich. Er riet ihr daher davon ab Sängerin, Schauspielerin oder Musikerin zu werden und plädierte für etwas „Ordentliches“. Ihre Großmutter, selbst eine der ersten Frauen im akademischen Malstudium, empfahl ihr daraufhin das Architekturstudium. Anfangs studierte sie noch Gesang und Architektur gleichzeitig, entschied sich aber schnell für die Architektur: „Ich bin meiner Großmutter im Nachhinein enorm dankbar. Ich liebe diesen Beruf. Sie hätte mir eigentlich keinen besseren Dienst erweisen können.“ Dinge kreativ und anders anzugehen, prägte nicht nur in der Architektur, sondern auch ihren Alltag. Denn sonst wäre es nicht möglich gewesen, dass sie nicht „nur“ eine beeindruckende Karriere hingelegt, sondern gleichzeitig mit ihrem Mann – den sie im Studium kennengelernt hat – auch vier Kinder großgezogen hat. Die Betreuungszeiten waren hier immer gleichmäßig partnerschaftlich mit abwechselnden Tagen eingeteilt. Ein System, dass es beiden Partner:innen erlaubte, ihren Beruf voll auszuüben. Das wirkt sich auch auf ihre Projekte aus. Ursula Schneider: „In den Köpfen der Gesellschaft – vor allem auch der Frauen – ist leider noch lange kein Gleichwertigkeitsgefühl vorhanden. Denn wenn heute jemand stolz sagt, er baue z.B. Kindergärten für Frauen, dann wird damit automatisch die Kindererziehung bei den Frauen verortet. Kindergärten braucht man, weil Paare Kinder kriegen und die Gesellschaft Kinder braucht. Und diesen Kindern wollen wir einen Raum zur Entwicklung geben. Deswegen baut man Kindergärten. Frauen entlastet damit man nur, wenn man sie vorher belastet hat.“ Bis heute sind ihr Bildungsbauten nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern aus einem hohen architektonischen Anspruch heraus ein besonderes Anliegen. So gewann sie mit ihrem Büro 2018 den 1. Platz im Wettbewerb um den Bildungscampus Heidemarie Lex-Nalis in Wien Simmering. Der Campus bietet heute Kindergarten und Schule für insgesamt 800 Kinder. Er hat über 3 Geschoße verbundene Freiflächen und die Kinder halten sich dabei nicht nur ausschließlich in ihren Bildungs- oder Gruppenräumen auf. Das Gebäude ermöglicht es ihnen, sich frei zu bewegen, einander zu besuchen und das Angebot der multifunktionalen Bereiche zu nutzen. Und der ganze Campus bezieht seine Wärme- und Kühlenergie ausschließlich aus Grundwasser und Geothermie mit Wärmepumpen, die ihre elektrische Energie aus der am Dach befindlichen PV-Anlage beziehen. Eine Schule, wie man sie sich wünscht.
Von der Projektleitung zur Unternehmerin
Nach dem Studium wusste sie, dass es wichtig war, gleich im Job dranzubleiben und sich nicht durch die Karenzen fachlich ausbremsen zu lassen. Sie fing noch als Studierende bei den Solararchitektur-Pionieren Reinberg, Treberspurg an, und arbeitete nach deren Trennung weiter als Projektleiterin für das Architekturbüro Reinberg. Nach insgesamt 15 Jahren, dem letzten Kind und vielen investierten Stunden ohne weitere Entwicklungsperspektive beschlossen sie, ihr Mann und die Partnerin Claire Poutaraud 2000 sich mit POS Architekten selbständig zu machen. Poutaraud ging bald aus privaten Gründen wieder in ihre Heimat, nach Frankreich zurück. POS Architekten fuhren aber auch ohne sie nicht nur Projekte, sondern auch gleich namhafte Auszeichnungen ein: 2006 wurden sie beim Staatspreis Architektur & Nachhaltigkeit für das Schiestlhaus nominiert, 2007 gab es für das Projekt den Steirischen Holzbaupreis. Der Neubau der Schutzhütte Schiestlhaus am Hochschwab (mit Treberspurg Architekten) wurde ein Prototyp für energieeffizientes und ökologisches Bauen in alpinen Insellagen. Es liegt auf 2154 m auf einem Hochplateau im Trinkwasserschutzgebiet in extremer Insellage.
Mit 100 Prozent erneuerbarer Energie kann es sich inkl. Trinkwasseraufbereitung und Abwasserentsorgung selbst versorgen und ist gleichzeitig sehr komfortabel. Zusätzlich wurde im Rahmen eines der Realisierung vorangegangenen Forschungsprojektes geprüft und nachgewiesen, dass die Passivhausbauweise im hochalpinen Raum Sinn macht und funktioniert.
Sinnvolle Gebäudetechnik
2010 folgte der Innovationspreis Energiespeicher Beton, für das Bürohausprojekt Energybase. Es wurde nach einem Passivhauskonzept von POS Architekten in Wien-Floridsdorf errichtet. Das Gebäude schaffte eine Reduktion des Energiebedarfs um 80 Prozent gegenüber anderen Neubauten und betrat in einigen energietechnischen Bereichen Neuland. Auftraggeber dieses Pionierprojekts war der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds, der von den Architekt:innen im Rahmen eines Forschungsprojekts forderte, ein konsequent nachhaltiges Gebäudekonzept auszuarbeiten. Das bauliche Ergebnis, das auf insgesamt 7500 m² eine Fachhochschule, Labors und Büros beherbergt, setzte in seiner ganzheitlichen Energieeffizienz neue Maßstäbe im Bereich Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit. „In den interdisziplinären Teams der Forschungsprojekte habe ich viel über Bauphysik und innovative Gebäudetechnik gelernt, es macht mir Spaß, hier zu einfachen und sparsamen gebäudeintegrierten Lösungen beizutragen“, meint Ursula Schneider. Die meisten Leute verstehen unter dem viel zitierten Begriff „Hightech“, ein Gebäude sinnlos überauszustatten. Das ist für mich Dummheit. Das was heute unter dem Begriff low tec gehandelt wird, das würde ich einfach „sinnvollen Technikeinsatz“ nennen. Echtes lowtec – nämlich nur minimale Temperierung, Sonnenschutz, händisches Querlüften und Nachtlüften ohne Steuerung und Motoren, verlangt eine tägliche Aufmerksamkeit, die die meisten Leute letztlich doch nicht leisten wollen. Unser Büro haben wir vor 30 Jahren so konzipiert, mein Team würde aber sicher mehr Automation bevorzugen. Die Erde ist endlich an Ressourcen und an Platz. Um das Ruder herumzureißen, müssen wir als Gesellschaft uns gemeinsam überlegen und erkennen, was wir wirklich brauchen und was eigentlich nur unnötiger Ballast ist. Mehr Komfort und mehr materielle Dinge machen nicht automatisch glücklich und zufrieden.“
CO2-Neutralität ist von zentraler Bedeutung
Ihre Entwürfe machen das im Idealfall aber schon, und so entwickelte sich das Architekturbüro mit immer mehr Wettbewerbsgewinnen weiter auf heute aktuell 17 Mitarbeitende. Sie konzentrieren sich auf den Büro- und Wohnbau, mittlere Gewerbeobjekte, auf öffentliche Gebäude und Revitalisierungen. Für die Gebäude gilt, dass sie erst dann den Ansprüchen genügen, wenn sie auch in 20 Jahren noch zeitgemäß sind. Ursula Schneider: „Die Entwicklung des Bestandes – und jeder Neubau ist nach Fertigstellung Bestand – zu einer CO2-neutralen gebauten Umwelt ist von zentraler Bedeutung. Gebäude sollen mit minimalem Ressourceneinsatz ein Maximum an Lebensqualität und einen sinnvollen Komfort bieten. Auch auf politischer Ebene stellt sich die Frage, wie mit der knappsten Ressource „Grund und Boden“ in Zukunft umgegangen wird und wie weit es gelingt, den Besitz von Immobilien an verpflichtendes verantwortliches Handeln gegenüber der Gesellschaft über deren gesamten Lebenszyklus zu knüpfen.“
Ihr breites Wissen in den Themenbereichen Passivhaus, Tageslichtarchitektur, Plusenergiestandard, CO2-neutrales Bauen, cradle-to-cradle, Kreislauffähigkeit, Nutzerkomfort und Gebäudebegrünung gibt sie deshalb seit Jahren auch als Lehrende und Vortragende weiter. Aktuell arbeitet sie an einer Quartiersentwicklung in Salzburg, am Teil einer Quartiersentwicklung in Wien, und an einer Sanierung /Erweiterung eines großen Schulcampus in Tirol. Fragt man sie nach der DNA ihrer Architektur, antwortet sie: „Architektur ist in dem Sinne keine reine Kunst, weil sie auch Funktionen erfüllen soll. Wir wollen Gebäude zur Verfügung stellen, in denen Leute sich entwickeln können. Und mit denen wir, wenn möglich, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten. Gleichzeitig müssen unsere Gebäude einen Beitrag zu ökologischen Themen leisten und im besten Fall die Menschen anregen, sich Unbekanntes anzueignen. Deshalb sind auch die innerräumlichen Qualitäten sehr wichtig. Das Wesentlichste ist jedoch die äußere und innere Schönheit, denn nur so werden Gebäude auch geliebt und lange erhalten.“ Die Rolle als Architektin versteht sie heute so: „Architekt:innen können, obwohl sie Dienstleister:innen sind, immer wieder Anreize schaffen, Dinge neu beleuchten und zeigen, wie man sie auch anders denken kann. Dies reicht vom Städtebau, über ökologische Aspekte bis zum Detail. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass unsere Profession in ihrem breiten Denkansatz, in ihrem Bemühen um Baukultur, in ihrer Fähigkeit, komplexe Anforderungen einer Synthese zuzuführen von der Gesellschaft wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Ich wünsche mir, dass Menschen den Platz im Leben finden, wo sie sich begeistern können und wo sie dann entsprechend, für unsere Gesellschaft, als Gemeinschaft, als Erde etwas bewegen und weiterbringen können. Und das gilt für Architekt:innen, wie für alle anderen Menschen.“