Klein und fein

Mit einer Fülle kleiner, aber umso feinerer Projekte sorgt das heuer 30 Jahre alte Grazer Architekturbüro Gangoly & Kristiner immer wieder für Aufmerksamkeit. Hans Gangoly, Leiter des Instituts für Gebäudelehre an der TU Graz, denkt altersbedingt allmählich ans Zurückschrauben.

Architekt Hans Gangoly, 1959 geboren, und Architektin Irene Kristiner, Jahrgang 1968 verbindet eine „ausschließlich berufliche Partnerschaft“. Sie betreiben ihr Architekturbüro mit insgesamt fünfzehn Mitarbeiter:innen eigentlich in Graz, drei Planer:innen sind aber in Wien stationiert. „Ich habe mein Büro eigentlich schon 1994 gegründet, 2007 aber mit Irene Kristiner in die Gangoly & Kristiner ZT GmbH umgewandelt, weil ich an die TU Graz berufen worden bin“, berichtet Gangoly im Gespräch mit Building Times. Bis heute ist er dort Leiter des Instituts für Gebäudelehre, doch ist das Ende der Berufung schon absehbar: „Ich bin heuer 65 und werde nächsten September in Pension gehen, also emeritieren“, bestätigt der gebürtige Oberwarter.
Damit verbunden ist ein allmählicher Rückzug. „Ich werde in den nächsten Jahren beginnen, mich im Büro herauszunehmen und beispielsweise keine großen Wohnbauten mehr machen“, erläutert Gangoly und ergänzt: „Irene Kristiner wird mit zwei weiteren Partnern das Büro übernehmen. Ich bin persönlich stark interessiert an Raumentwicklung und -gestaltung, am Interior Design. Das kann man noch stark entwickeln und ich bin noch super motiviert“.
Derzeit befindet sich Gangoly beruflich in Gesellschaft von drei Partner:innen: Irene Kristiner hält ebenso wie Architekt Dominik Troppan, der das Wiener Büro leitet, 25 Prozent der Gesellschaftsanteile, Architekt Alexander Freydl 15 Prozent und Gangoly selbst 35 Prozent. Planungsgebiete des Büros sind im Wesentlichen die Steiermark und Wien.

„Haus am Meer“ in Duino
Mit einer großen Ausnahme, die auch unter Fachleuten kaum bekannt ist, dem „Haus am Meer“ in Duino in der Nähe von Triest, das nicht nur wegen seines Schlosses sondern vor allem wegen des „Rilke-Weges“ auf den Klippen oberhalb der Küste bei Triest-Liebhaber:innen sehr beliebt ist. Der Architekt berichtet dazu: „Eine italophile Familie – Fiat Cinquecento 1972 und Opernabonnement im nahen Triest sind vorhanden – erfüllt sich den Traum von einem Haus am Meer. Eine schöne und anspruchsvolle Aufgabe, der Idee ‚Bella Italia‘ nachzuspüren. Ein Bestand aus den 1970-er Jahren wird als Basis genutzt, deutlich erweitert und neu organisiert. Der alte Baumbestand, die Struktur der alten Steinmauern und die Terrassen hinunter zum Meer bilden das atmosphärische Rückgrat“.

Bei der weiteren Beschreibung kommt Hans Gangoly auch zum Grundsätzlichen seiner Planungsarbeit: „Das Haus am Meer bietet über drei Geschoße genügend Platz für die große Familie und für Freunde. Man wohnt drinnen und draußen. Das Meer bildet immer den phantastischen Hintergrund. Die einzelnen Räume sind aufwendig und detailreich ausgestattet. Typisch italienische Materialien, Farben und Motive werden mit ruhigeren, fast skandinavischen Elementen kombiniert. Wie in all unseren Projekten werden Zonen mit unterschiedlichen Stimmungen erzeugt. Unterhaltsame Orte für das Zusammensein. Entspannte Orte für den Rückzug. Die Küche als Zentrum. Der blaue Pool zum fröhlichen Plantschen. Der Pizzaofen“. Der Garten sei zum größten Teil neu bepflanzt worden, wobei Rosmarin, Lavendel, Kakteen, Granatapfel und Olivenbäume die Hauptrolle spielten. Bei allem Schwärmen räumt Gangoly jedoch ein, dass das Planen im Ausland nicht einfach sei.

Kontrastprogramm „Rosalie“
Gleichsam als Kontrastprogramm bezeichnet der Architekt den Wohnbau Rosalie an der Wiener Leyserstraße als sein „liebstes Projekt – mitten im Altbestand“. In der Projektbeschreibung heißt es dazu: „Die Volumetrie am Bauplatz ist vorgegeben. Damit entsteht ein kompakter Baukörper in Abstufung zwischen Straßenraum und Parklandschaft, äußerst attraktiv umgeben von einer Vielzahl an alten Bäumen, davon einige sehr schöne Exemplare. Diese einmalige Grundvoraussetzung, verknüpft mit der Frage nach dem ‚Bild‘ eines solch großen Hauses in der Stadt, war Ausgangspunkt für die architektonischen Überlegungen“. Auch der Wohnbau Berresgasse zählt zu den Wiener Projekten.
Ein „wichtigstes“ Projekt kenne er nicht, erklärt Gangoly, meint aber gleichzeitig, „wir haben sehr viele Renovierungen gemacht“ und nennt sofort die „Ehemalige Stadtmühle“ in Graz und die „Galerie Hametner“ in Stoob im Burgenland. War bei Ersterer der Denkmalschutz die große Herausforderung, so ging es in Stoob um den Um- und Ausbau eines alten Bauernhauses in eine Galerie und ein Wohnhaus. Ein neuer, gläserner Baukörper steht nun im Innenhof, wobei sich ein Teil der Deckenplatte des Zubaus über die Dachebene erhebt.

In die ehemalige Stadtmühle baute Gangoly „22 loftartige Wohnungen für ein junges, urbanes Publikum, die sich auf vier Geschoßen um einen großen, überdachten Innenhof gruppieren. Innerhalb der Wohnungen, in denen ein massiver, nicht raumhoher Sanitärblock der einzige eindeutige determinierende Nutzungsbereich ist, treffen die ‚neuen‘ Materialien und Sichtbeton und flächiges Holz auf die durchgehend übergeordnete, lineare Holzkonstruktion“.
Als „Holzbau-Architekt“ will sich Hans Gangoly nicht bezeichnen, das sei ein spezielles Geschäft, das ihn zwischen 1998 und 2002 „total interessiert“ habe und auch in der Galerie Hametner Niederschlag gefunden habe Sein Nachsatz: „Aber ich habe sehr viel Lehrgeld gezahlt“.

Wohnbau-Rückgang stark gespürt
Den Rückgang im Wohnbau haben Gangoly & Kristiner sehr stark gespürt, „weil wir in den letzten sechs, sieben Jahren sehr viel Wohnbau gemacht haben. Der ist extrem gestoppt worden und es sind keine neuen Projekte gekommen“, erläutert Gangoly. Das hat auch dazu geführt, dass der Architekt gezwungen war, den Mitarbeiter:innen-Stand „deutlich zu reduzieren: Vor drei Jahren waren wir noch 26 Leute, das habe ich aber schon das eine oder andere Mal erlebt“.
Heuer sehe es wieder besser aus, meint der Architekt, der wieder auf rund 1,5 Millionen Euro Umsatz hofft. „In den letzten Jahren haben wir ca. 100.000 Euro Pro-Kopf-Umsatz erzielt, und ich würde davon ausgehen, dass wir das auch heuer erreichen. Einige Projektentwickler und Genossenschaften beginnen wieder und die privaten Bauherr:innen sind sehr stabil“. So wird etwa das „Village im Dritten“ September/Oktober fertig.

In den 30 Jahren seit Beginn der Selbstständigkeit habe sich „in der Architektur sehr viel geändert. Das ist ein gewaltiger Unterschied: Die Planung ist sehr, sehr viel besser geworden und der Aufwand im Büro ist erheblich größer geworden. Es geht um das Abarbeiten von Pflichtenheften und wir arbeiten jetzt fast ausschließlich auf der Ebene von Kennzahlen. Die Kette Vorentwurf, Entwurf, Einreichung und Detailplanung funktioniert schon lange nicht mehr. Wir versuchen, über den Entwurf zu neuen Lösungen zu kommen“.
In der Gebäude- und Klimatechnik sei die Planung viel aufwändiger geworden. Probleme gäbe es vor allem dann, wenn die Fachplaner:innen viel zu spät einsteigen. Eine Exkursion nach Mexiko hat ihm gezeigt, dass es ohne Technik in unseren klimatischen Verhältnissen nicht geht.
Was er macht, wenn er nicht an Architektur denke? „Das gibt es nicht. Man geht nicht aus dem Büro und ist kein Architekt mehr. Das sage ich auch den Studierenden“, sagt Gangoly. In der Freizeit geht er Wandern, „geht leidenschaftlich zu Fuß und macht dabei Beobachtungen“.