Überhitzt und aufgewühlt
Wenn die Politik trödelt, wankt eine ganze Branche mit. Das deutsche Chaos rund um das Heizungsgesetz wirkt sich unmittelbar auf die heimischen Biomassekessel-Erzeuger aus. Auch hierzulande entwickelt sich die lange Bank der Gesetzwerdung zum Schleudersitz.
Überhitzt und aufgewühlt – so lässt sich die Situation auf dem Heizungsmarkt derzeit beschreiben. Die großzügige Förderung motiviert Eigenheimbesitzer:innen landauf landab ihre Anlagen im Keller auf Vordermann zu bringen. Bei Betreiber:innen von Gaskesseln, wo der Leidensdruck aufgrund der Preisexplosion vorübergehend richtig groß war, war kurzfristig Hysterie angesagt. Nur wenige Jahre alte Kessel wurden auf die Schnelle ausgebaut und durch Wärmepumpen ersetzt. Das hat sich inzwischen etwas gelegt, wenngleich die Energieversorger vorerst einmal darum bemüht sind, sich selbst zu versorgen und die Preise für Erdgas nur langsam sinken. Dazu kommt, dass inzwischen auch vielen Öl- und Gasheizer:innen klar geworden ist, dass der Umstieg auf die strombetriebene Wärmepumpe nicht die Billiglösung schlechthin ist. Das liegt nicht nur an den Preisen für Geräte und Installation, sondern auch daran, dass die elektrische Energie deutlich teurer ist als noch vor dem Beginn des Kriegs.
Noch ist es für eine Prognose zu früh, dennoch deutet einiges darauf hin, dass die Rekordinstallationszahlen des Jahres 2022 heuer wohl nicht erreicht werden. Das bestätigt auch Richard Freimüller, Obmann von Wärmepumpe Austria im Exklusivinterview. Als ziemlich fix gilt, dass die Verkaufszahlen des Vorjahres bei Biomassel-Kesseln nicht gehalten werden. Ausschlaggebend dafür ist die Kürzung der Förderung in Deutschland, die maßgeblich für das Wohlergehen der heimischen Kesselbauer gilt. Dementsprechend ruppig sind die Aussagen dazu. Windhager-Chef Stefan Gubi beklagte bereits vor Wochen in Building Times, dass die Marktlage wenig erfreulich und eigentlich ein „Wahnsinn“ sei. Sein Unternehmen baut zukunftsorientiert in Pinsdorf gerade eine Wärmepumpenfabrik, zugleich ist der Absatz von Pelletskesseln schwierig geworden. Auch andere große Hersteller, wie ÖkoFen und Hargassner haben zuletzt ihre Kapazitäten kräftig aufgestockt und müssen nun eine deutlich geringere Nachfrage einstecken. Das auch, weil heimische Konsument:innen hellhörig geworden sind, als die Pelletspreise gemeinsam mit Gas ruckartig hochgeschossen sind.
Nachgefragt bei ÖkoFen bestätigt sich das Verunsicherungs-Szenario: „In diesem Jahr ist der größte Markt für Heizungen in Europa – Deutschland – derzeit leider stark verunsichert: Die Ankündigung des Verbots fossiler Heizungen, gefolgt von Versprechungen für zukünftige üppige Förderungen für Alternativen, wurden Dauerbrenner in den Schlagzeilen“, so Firmenchef Stefan Ortner. Die Folge sei eine starke Zurückhaltung bei Endkund:innen. Kund:innen zögern mit der abschließenden Entscheidung, da für das kommende Jahr 2024 attraktive Förderungen in Aussicht gestellt, aber noch nicht beantragt werden können.
Zum Wehklagen gibt es bei den Mühlviertlern aber noch keinen Grund: 2022 war das dritte Rekordjahr in Folge. „Am Ende blieben wir zwar etwas unter den 40.000 Systemen, denn die letzten Monate des Jahres waren nicht so stark, wie geplant. Das lag vor allem an der Energiekrise und dem vorübergehenden Preisanstieg – auch bei Pellets“, so Ortner. Dennoch sei man stolz, zumal es ein regelrechter Kraftakt war, der enormen Nachfrage zu folgen und den Output innerhalb eines Jahres zu verdoppeln, so der Unternehmer.
Die derzeitige Zurückhaltung der Kund:innen hat dennoch Auswirkungen auf die Fertigung: Die Produktion für den deutschen Markt werde deshalb „aktuell stark reduziert“, so Ortner. Ihn ärgert, dass in deutschen Talkshows „bis zu 80 % Förderung für grüne Heizungen“ in Aussicht gestellt werden, diese derzeit aber nur mit 20 bis 40 % gefördert werden.
Unterm Strich erwartet man bei ÖkoFen für heuer geringere Stückzahlen: „Obwohl die Situation am österreichischen Heimatmarkt und in anderen Exportländern besser ist, diese den Rückgang in Deutschland aber nicht völlig ausgleichen, erwarten wir heuer geringere Absatzmengen als im Vorjahr“, so Ortner. Er und sein Team wollen die Zeit nutzen, um die Abläufe und Lieferketten für den nächsten Aufschwung vorzubereiten. „Irgendwann werden keine fossilen Heizungen mehr verkauft werden und alle Alternativen haben eine große Zukunft. Und darauf werden wir bestmöglich vorbereitet sein“, ist er überzeugt.
Ganz ähnlich sieht die Situation beim Branchenriesen Hargassner aus „Wir sehen im zweiten Quartal im gesamten Markt einen Einbruch von 70 bis 80 Prozent“, sagte Produktmanager Anton Hofer kürzlich den OÖ-Nachrichten.
Eine Abflachung im Segment Energy und Building Technology zeichnet sich auch bei Bosch ab, wie Vorstand Helmut Weinwurm kürzlich sagte. Viele Wärmepumpen, die heuer ausgeliefert wurden, seien bereits im Vorjahr bestellt worden, erklärt er. Damals gab es bei Bosch Lieferzeiten von 6 Monaten, das ist inzwischen vorbei. Bei Gas habe es hingegen eine deutlich Belebung gegeben, weil die Versorgungs-Verunsicherung weitgehend verflogen ist. Was man bei Bosch auch spürt, ist die Zurückhaltung bei den Kund:innen bei der Wartung, was wohl auf die leeren Geldbörsel zurückzuführen sei.
Chaotisch in Gas gedreht
Wie wild die Situation am deutschen Markt ist, zeigen die Zahlen des 1. Quartals. Die Heizungshersteller haben so viele Heizungen verkauft wie schon lange nicht mehr. Die Verkaufszahlen im Wärmeerzeuger-Markt stiegen im Vergleich zum Vorjahresquartal um 38 Prozent auf 306.500 verkaufte Anlagen, teilte der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) mit. Der große Renner waren Gasheizungen, die um 14 Prozent auf 168.000 Stück wuchsen. Das sind konkret mehr als die Hälfte aller im 1. Quartal verkauften Heizungen. Getoppt wurden Gaskessel von Ölbrennern, deren Absatz sich auf 21.500 Einheiten verdoppelte. Hintergrund dafür ist die Angst der deutschen Zeitgenoss:innen, dass nach der geplanten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes solche Heizungen nicht mehr verbaut werden dürfen.
Weiters wurden im 1. Quartal im Nachbarland 96.500 Wärmepumpen verbaut, was ein Plus von 111 Prozent bedeutet. Federn lassen mussten Pelletsheizungen, die aufgrund der Kürzung der Förderung in den ersten drei Monaten um 11 Prozent weniger verbaut wurden.
Schreckgespenst für Erneuerbare
Das Chaos, das in Deutschland schon Realität ist, könnte auch bald hierzulande eintreten. Nämlich dann, wenn die gegenwärtige Regierung das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz weiterhin bei den unerledigten Akten liegen lässt und die FPÖ bei anstehenden Wahlen tatsächlich zur Nummer 1 aufsteigt. Selbst wenn die ÖVP sich irgendwie dreht und windet, um einen Kanzler Herbert Kickl zu verhindern, sind im Fall von Türkis/Blau Störungen in den ohnehin nur in Spurenelementen vorhandenen Klimaschutz-Bemühungen programmiert. Die FPÖ sieht im Klimaschutz eine Hysterie und wird die von den Grünen durchgesetzte Fördergießkanne für Erneuerbare Energieträger rasch zur Seite stellen. Blaugefärbte Teile der ÖVP werden es gutheißen, andere dulden und vielleicht kurz den Kopf schütteln. Kenner:innen der Szene meinen, dass die ÖVP nichts mehr fürchtet, als die nächsten zwei bis drei Jahrzehnte Förderungen für die Heizungsumstellung auszuschütten – vielleicht auch, weil im roten Wien die größten Brocken anstehen.
Aber auch ganz ohne die blauen Klimaschutzverweigerer ist Sand im Getriebe. Denn klar ist: Ohne Erneuerbare-Wärme-Gesetz wird der notwendige Schub bei Sanierungen und Heizungsumstellungen nicht gelingen. „Der Entwurf des EWG wurde vor fast einem Jahr in die Begutachtung geschickt. Es kam zu keiner Einigung über die Berücksichtigung der zahlreichen Stellungnahmen. Und so wurde der unveränderte Entwurf vor einem halben Jahr vom Ministerrat beschlossen und zur parlamentarischen Behandlung weitergeleitet. Seither harrt er darauf, vom zuständigen Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie behandelt zu werden. Es ist eine Menge Sand im Getriebe“, so der Energieexperte Walter Hüttler.
Es sei absehbar, dass ein Scheitern des‚ Erneuerbare-Wärme-Gesetzes auch zur Folge hätte, dass die notwendigen wohnrechtlichen Reformen in dieser Legislaturperiode nicht mehr gelingen werden. „Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft benötigt dringend Rechtssicherheit und praxistaugliche Rahmenbedingungen, um die vorhandenen technischen Lösungen für Sanierung und Heizungsumstellung auch umsetzen zu können. Daher fordern wir dringend die parlamentarische Behandlung und Beschlussfassung des ‚Erneuerbare-Wärme-Gesetzes‘ noch vor der Sommerpause. Die österreichischen Ziele einer Dekarbonisierung des Gebäudebestands bis 2040 sind andernfalls nicht zu erreichen“, resümiert Ulla Unzeitig, Vorstand Renowave.at.
Ein Gesetz allein wird aber sicher nicht reichen, um die hunderttausenden Gasthermen in Mietwohnungen zu ersetzen. Dazu braucht es auch entsprechende Lösungen, die bislang eher nur Pilotcharakter haben. Zwar arbeiten alle namhaften Wärmepumpen-Hersteller an ihren Systemen, der große Durchbruch ist bislang aber nicht in Sicht. Wenn das kommt, was sich inzwischen in Deutschland fallweise etabliert, stehen den europäischen Herstellern keine guten Zeiten ins Haus. Dort bauen manche Wohnungsgesellschaften Luft-Luft-Wärmepumpen asiatischer Bauart ein. Die sind billig und der Umbau ist vergleichsweise einfach. Dass man hierzulande nicht an solche Systeme gewöhnt ist, könnte sich ändern. Mieter:innen können sich ihr Heizsystem schließlich nicht aussuchen.