Boom und Wandel
Der Branche geht es gut. Die Digitalisierung und die in vielen Produktgruppen vorhandenen Überkapazitäten machen das Business dennoch zum Balanceakt. Erste Mutige steigen auf das Seil. Der Rest ist Business as usual – jeder will mehr und hat das Beste, wie die Energiesparmesse zeigte. Dass trotzdem nicht alle potenziellen Fachbesucher kamen, war sichtbar.
Ein Großhändler, der Richtung Endkunden ausholt, die leisesten Wärmepumpen überhaupt und das wieder aufgewärmte Nichtverstehen der Deutschen. Das waren neben den Dauerbrennern Fachkräftemangel und Förderungsbegehren grob betrachtet die prägenden Themen der Energiesparmesse Wels. Und natürlich da und dort etwas unter der ISH-Tuchent präsentierte Neuheiten.
Aber der Reihe nach: Der Sanitär- und Heizungsgroßhändler Holter ist in Wels Platzhirsch und sorgte als solcher mit einem kräftigen Brunftschrei für einiges Aufsehen. Nicht so sehr mit der Botschaft, dass man 2018 beim Umsatz um 4,7 Prozent zugelegt habe, sondern damit, dass man künftig den Endkunden zum Maß aller Dinge erklärt. „Holter Home ist eine Plattform, auf der wir alle Leistungen unter einem Dach vereinen, sei es der Einbau einer neuen Heizung, eines neuen Bades, die Planung des Hauswirtschaftsraums oder Wellness-Bereichs“, erklärt dazu Verkaufsleiter Christian Rauchfuß. Die Plattform sei ein Instrument, von dem sowohl Handwerksbetriebe als auch Konsumenten profitieren sollen. Ob Erstere das auch so sehen, ist noch nicht überliefert.
Industrievertreter finden sich in dieser Ankündigung jedenfalls nicht wirklich willkommen und fürchten, dass Holter noch stärker die Eigenmarken vermarktet. Nicht ganz unbegründet, denn schon jetzt ist der Schauraum in Wels so gut wie markenfrei. Und im Handwerk steht die Angst im Raum, dass die Installateure zu Monteuren degradiert werden. Das wird auch eintreten – besonders bei jenen Installationsbetrieben, die weder Schauraum noch Vermarktungskonzept pflegen. Wenn Holter diesen Weg durchzieht und Erfolg hat, wird es nicht lange dauern, bis andere Marktteilnehmer folgen. Was sie zum Teil ja schon tun, wie ein vom Autor kürzlich anonym durchgeführter Selbsttest belegt. Man braucht keinen Cousin im Sanitärgroßhandel, um dort eine Duschkabine zu kaufen. Man fährt hin, wählt aus und das Teil wird vor Ort mit Karte bezahlt und ein paar Tage später an den Gehsteig geliefert. Auf der Rechnung steht irgendwo vermerkt, dass die Abrechnung über einen konzessionierten Installateur erfolgt. That’s it. Die Folgen sind absehbar: Wenn der Großhandel vermehrt die Dreistufigkeit aufkündigt, wird auch die Industrie rasch ihre Denkweise umstellen, was für manche Hersteller und Produktgruppen nicht schwierig ist, andere aber vor echte Herausforderungen stellt. Das könnte für manche Marktteilnehmer auf beiden Seiten bedrohliche Ausmaße annehmen – besonders dann, wenn sie kaum Zeit haben für den Rundumblick, weil das Innere sie so sehr in Anspruch nimmt. Es ist nicht gesagt, dass die Großen von heute mit dem Tempo der jungen Wilden Schritt halten können. Seit Nokia, Kodak & Co weiß man, dass Riesen ganz schnell wanken können.
Mit ganz anderen Herausforderungen und Problemen beschäftigen sich die Branchenvertreter in der Eröffnungs-Pressekonferenz der Energiesparmesse. Obwohl die Branche boome, würden die Installationsbetriebe es nicht schaffen, ihre Preise zu steigern, weiß etwa Reinhard Scheuchl, Vorstand des Verbands der Installations-Zulieferindustrie. Montagekapazität und Margendruck würden heuer kein großes Wachstum zulassen, glaubt er. Der Innungsmeister der Installateure, Michael Mattes, beklagt ebenfalls den Fachkräftemangel und findet, dass die Entsenderichtlinie ein großes Problem darstellt. Trotzdem, die heimische Branche wächst, denn 2017 gab es im Vergleich zu 2016 um 4,6 Prozent mehr Beschäftigte und ein Umsatzplus um etwa 3 % auf 5,1 Milliarden Euro, so Mattes. Derzeit stehen rund 3.500 Lehrlinge in Ausbildung, in etwa so viele wie in den letzten zehn Jahren auch – 119 davon sind übrigens weiblich.
Obwohl die Branche bestens ausgelastet ist, sieht man die Politik gefordert, noch ein Schäuflein nachzulegen. Der Förderdschungel soll durchforstet und die Sanierungsrate der Heizungen gepusht werden, so Mattes. Aber das nach Möglichkeit nicht mit Fernwärme, wie der frisch bestellte Obmann der Vereinigung Österreichischer Kessellieferanten (VÖK), Helmut Weinwurm, betont. Ihm bereitet der „unkontrollierte Ausbau der Netze“ Sorgen. „Nachdem der Wärmebedarf zurückgeht, ist es nicht nötig, die Fernwärme auszubauen“, sagt der VÖK-Mann, der beruflich Geschäftsführer bei Bosch Thermotechnik ist. Es solle besser überlegt werden, wo welche Netze realisiert werden, betont er und vergisst nicht zu erwähnen, dass die Fernwärme keine Unabhängigkeit biete. Die bietet freilich eine Gastherme auch nicht, aber die haben Bosch und andere im Portfolio und die befreundeten Installateure bauen sie ein und kommen danach jährlich, um das Wartungsgeld abzuholen. Richtig unabhängig macht auch ein Pelletskessel nicht, denn auch die Holz-Würstel wachsen nicht im Garten. Nicht ganz zu verachten ist dennoch der beschäftigungspolitische Impact der Branche. Die heimische Heizungsbranche beschäftigt etwa 5.000 Menschen, so Weinwurm.
Dass es trotz Bauboom nicht mehr werden, liege am Ausbau der Fernwärme, die schon jetzt 30 Prozent des Marktes beherrsche. Und das „mit kräftiger Unterstützung der Politik, ohne jeglichen Wettbewerb und mit überschaubarer Transparenz“, wie der VÖK-Obmann kritisiert. Ob die steigende Zahl jener VÖK-Mitglieder, die mit der Fernwärmeverteilung gut im Geschäft sind, ähnlich denkt, sei einmal dahingestellt.
Gas im Plus, Biomasse und Solares im Minus
Zeit für etwas Statistik: Im Vorjahr wurden 50.500 Gasgeräte (+4 %) verkauft, etwa ein Drittel davon alte Technologie, also Heizwert-Geräte. Bei Öl-Kesseln setzte es ein Minus von 5 %, trotzdem wurden 2018 erneut 5.050 Stück Ölbrenner eingebaut, was sicher gut für die OMV ist. Die Solarthermie schrumpfte um weitere 15 Prozent, was die verbliebenen Anbieter vermutlich nicht mehr schreckt. Die Hersteller von Holzkesseln müssen in Summe ein Minus von 6 % schlucken. Die Pelletskessel legten um 1 % auf mehr als 4.300 Stück zu, die anderen Gerätetypen verloren.
Interessant: Das Umhören bei den führenden Biomasse-Kessel-Erzeugern brachte kaum Verlierer an den Tag. Bei Hargassner seien 2018 sowohl Österreich als auch die Topmärkte Frankreich und Deutschland sehr positiv gelaufen, so die Ansage. Das Unternehmen fertigt pro Jahr rund 8.000 Pellets- und Hackgut-Hessel und heuer wird der im November 2017 begonnene Bau der sogenannten Energy World fertig.
Der 10-Milllionen-Euro Zubau umfasst 6.000 m² und wird Anfang Juni mit einem richtig großen Fest und einer zweitägigen Hausmesse eröffnet. Von einem Rekordjahr mit einem Plus bei Stückzahlen und Umsatz berichtet auch Gregor Schneitler, der bei ÖkoFen das Marketing vorantreibt. Auch hierzulande habe man zweistellig zugelegt. Er sagt aber auch, dass die neue Kesselgeneration um rund tausend Euro günstiger geworden ist. In der Optimierung der Produkte gehe es inzwischen „um jeden Cent“. Die Einkaufspreise für Komonenten hätten sich aufgrund der Stückzahlen verbessert, sagt er. Anders als die drei „Streikbrecher“ KWB, Solarfocus und Guntamatic, die auch Wärmepumpen oder Hybride in ihre Portofolios aufgenommen haben, bleibt ÖkoFen rein auf Biomasse fokussiert. Einzig dem Fröling-Marketing-Mann Andreas Zahrhuber war bei der Frage nach dem Jahr 2018 ein „zufriedenstellend“ abzuringen. Er ist dennoch guter Dinge, da die neue Förderung etwas mehr Anreize für Sanierer bringt. Es ist künftig nicht zwingend eine andere Sanierungsmaßnahme erforderlich um 5000 Euro Umstiegsprämie zu erhalten.
Wärmepumpe bleibt Schlager
Der allgemeine Gewinner des Vorjahres ist die Wärmepumpe, die um 7,1 Prozent auf 20.300 Stück angewachsen ist. Klar dominierend sind dabei Luft-Wasser-Wärmepumpen mit mehr als 72 Prozent. Richtig beeindruckend war das Wachstum im mittleren Leistungssegment zwischen 20 und 50 kW in dem sich der Inlandsabsatz mit 1.289 Stück um fast 22 Prozent erhöhte. So groß die Freude darüber, so rätselhaft ist zugleich der Rückgang bei Brauchwasser-Wärmepumpen, die um rund 13 Prozent rückläufig waren.
Die Zuwächse wären vermutlich noch etwas größer, wenn nicht die Kältemittel-Förderdiskussion ausgebrochen wäre. Da haben die heimischen Hersteller mit viel Klinkenputzen in den Ministerien die Notbremse aktiviert. Was auch notwendig war, wären von der angedrohten Restriktion doch etwa drei Viertel der Wärmepumpen aus dem Förderregime gefallen. Ein Streifschuss ist allerdings geblieben, in der neuen Förderung gibt es einen 20-%-Abschlag für jene Wärmepumpen, die mit dem Kältemittel R410 a betrieben werden. Das ist für die Hersteller nicht erfreulich, aber eine österreichische Lösung, die einem Eklat beim Auftritt der Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger in Wels vorbeugte. Hätte man die ganze Wärmepumpen-Halle 19 brüskiert, wäre das vermutlich nicht ohne Pfeif-Folgen geblieben. Apropos Halle 19. Die wurde eine wenig aufgepeppt um Aussteller und Besucher zu streicheln.
Nachtrag zum Verstehen:
An manchen Messeständen war ganz klar das bayrische zu hören. Eine Sprache, die man im Innviertel kennt und eigentlich versteht. Deutlich schwieriger wird es offenbar dann, wenn die Partner, Lieferanten und Mutter-Unternehmen im hohen Norden beheimatet sind. So klar und unüberhörbar wie heuer war das Klagen über „die Deutschen“ schon lange nicht mehr zu hören. „Sie verstehen nicht, wie der österreichische Markt funktioniert, sie wollen mehr Umsatz und Gewinn, sie sind ungemütlich und pedant und überhaupt machen sie einem nur das Leben schwer“ – das oder Ähnliches, ließen einige Aussteller von sich hören. Ob das ein Zeichen der zunehmenden Entfremdung zu werten ist, sei einmal dahingestellt. Es könnte nämlich auch sein, dass es den Österreichern im Moment aufgrund der Konjunktur einfach gut geht. Der dennoch vorhandene Groll muss dennoch irgendwo hin – wofür sich bekanntlich der nächste Nachbarn anbietet.