Das 1. Kriegsjahr

Vor genau einem Jahr 2022 begann die russische Invasion. Verstört und teilweise energiearm hoffen wir auf ein baldiges Ende. Trotzdem geht es uns gut. Wir müssen nicht fliehen und haben nicht täglich Tote zu beklagen.

Seit genau einem Jahr fallen Bomben in der Ukraine. Der vom Zaun gebrochene Krieg hat Europa und der Welt gezeigt, dass die davor ausgebrochene Pandemie halb so wild war. Unbestritten war und ist Corona eine Bedrohung und hat vielen Menschen das Leben gekostet. Lockdowns, überlastete Kliniken, Masken und Impfungen haben uns mit einem Schlag aus der Wohlfühlzone geschubst. Damit verbunden sind die globalen Lieferketten eingeknickt. Manche Güter sind dadurch rar und teuer geworden und bis heute nur mühsam zu beschaffen. All das hat unser Leben verändert, aber nicht wirklich bedroht.

Energie ist knapp und teuer

Der Krieg hat uns alle in eine neue Dimension katapultiert, plötzlich ist Energie richtig teuer. Nicht nur weil sie knapp ist, sondern weil wir aus moralischen Gründen nach Alternativen zu russischem Gas bemühen. Das gelingt mehr schlecht als recht, weil sich Energieströme nicht von heute auf morgen umlenken lassen. Dazu braucht es gewaltige Anstrengungen und es braucht auch den Verzicht. Wir müssen sorgsamer mit den Ressourcen umgehen. Nicht nur um Sand ins Getriebe der russischen Kriegsmaschinerie zu streuen, auch weil wir es den nachfolgenden Generationen schuldig sind, den Planeten Erde lebenswert zu erhalten.
Jeder von uns kann dazu beitragen die Abhängigkeit von Gas und Öl zu reduzieren. Die Raumtemperatur um zwei Grad zu senken und einen Pullover anziehen, ist ein kleiner Beitrag. Nicht jeden Meter mit dem Auto zu fahren ebenso. Und ob wir hundert statt 130 fahren, ist im Grunde egal. Es sind nur wenige Minuten, die uns individuell fehlen, die aber in Summe einiges ausmachen. Wir müssen auch im Sommer nicht immer und alles kühlen, auch 26 Grad sind in Büros vertretbar.

Der kleine Verzicht

Der Verzicht ist minimal im Vergleich zu dem, was die Menschen nur wenige hundert Kilometer von uns entfernt hinnehmen müssen. Nicht wenige haben dort alles verloren, ihre Väter, ihre Kinder, ihre Mütter, ihre Wohnungen, ihre Häuser. Ja, ihr ganzes Leben ist seit dem Frühling aus den Fugen geraten. Im Vergleich dazu sind längere Lieferzeiten für den Neuwagen oder den Heizkessel echte Luxusprobleme. Auch wenn die Heizkosten sich verdoppeln, stellt das für viele von uns nicht wirklich ein Problem dar. Ein Urlaub weniger ist zwar unangenehm, aber es kostet nicht das Leben, es bringt keine Trauer. Freie Tage können auch ohne Reise und Konsum sinnerfüllend sein.
Natürlich muss jenen Gruppen, die mit Gas- und Stromrechnungen nicht zurechtkommen, gezielt geholfen werden. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt, es kann nicht sein, dass der Winter hierzulande zur Eiszeit wird. Das ist eine politische Aufgabe, die es zu meistern gilt. Das aber mit Augenmaß und zielgerichtet, denn Überförderung hatten wir in jüngster Vergangenheit mehr als genug.

Steuerzahler kann nicht alles richten

Ebenso müssen wir danach trachten, dass unsere Wirtschaft nicht den Energietod stirbt. Auch hier ist Augenmaß angebracht. Viele Unternehmen haben sehr gute Jahrzehnte hinter sich und haben ihre Hausaufgaben zur Ressourcenschonung gemacht, andere eben nicht. Die Gießkanne wird zu klein sein, um alle Betriebe mit Steuergeld zu energerieautarken Vorzeigefabriken zu machen. Es muss nicht zwingend jede PV-Anlage und jede Wärmepumpe gefördert werden. Jedes Unternehmen hatte viele Jahre Zeit selbst vorzusorgen. Wer es nicht gemacht hat, kann nicht nun einfach die Hand aufhalten. Auch viele Private konnten sich vor der Krise entscheiden, ob sie einen Pool bauen lassen oder eben in Dämmung, Fenster und eigene Stromerzeugung investieren.
Dass nun der Hut brennt, ist bitter, war aber absehbar. Denn abgesehen von der kriegsbedingten Energiepreisralley ist schon länger evident, dass wir die fossile Energie drastisch reduzieren müssen. Es haben halt die wenigsten daran geglaubt. (art)