Installation ohne Illusion
Die Handwerker seien ziemlich resistent gegen Ratschläge. Ohne Modernisierung werde die Branche sich spalten in Lohnmonteure und Installateure. Der Handel, die Industrie oder neue Player werden zu Akteuren der Installation. Auch die Vorfertigung werde zunehmen, so eine Analyse, die auf dem VIZ-Kongress präsentiert wurde.
Die gute Konjunktur sei hinderlich für die Digitalisierung, erklärt Andreas Tschas als Gastredner auf dem 6. Trendkongress des Verbandes der Installations-Zuliefererindustrie (VIZ). Er leitet seit wenigen Wochen die Digitalisierungsagentur der Regierung. An Digitalwissen fehlt es dem Manager nicht, er hat vor acht Jahren die Startup-Plattform Pioneers gegründet und sie innerhalb weniger Jahre zu einem der größten Technik-Hubs Europas gemacht. Nach dem Verkauf dieser Bühne für technische Innovationen soll er sich im Amt für digitale Angelegenheiten um die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) kümmern. Die gelten als Rückgrat der heimischen Wirtschaft und sollten davor bewahrt werden, zu Opfern der disruptiven Entwicklungen der Gegenwart zu werden. Dazu steht als Erstes einmal eine Namensänderung an, weil man mit der Kombination von „Digitalisierung und Agentur“ bei Tischlern, Elektrikern und Installateuren keinen Fuß in die Tür kriegt, wie Tschas schnell erfasst hat. Ein Umstand, der auch den meisten seiner Zuhörern bekannt vorkommt. Die VIZ-Mitglieder sind Vertreter der Industrie, also von Unternehmen, in denen das Digitale in eigenen Abteilungen mit und ohne externe Unterstützung von A bis Z abgearbeitet wird. Beim Installateur mit zehn oder fünfzehn Mitarbeitern ist in der Regel der Chef der Beauftragte für alles. Er entscheidet über den Fuhrpark, das Werkzeug, die Bürostühle und am Ende auch über die Computer und die darauf laufende Software. Und dann kommt der Zeitgeist, der nach digitalen Strategien verlangt, was den wenigsten Inhabern von Installationsbetrieben wirklich gelegen kommt. Noch dazu, wo doch mit der Digitalisierung Komplexität und Transparenz verbunden werden, was man sich lieber nicht ins Haus holen möchte.
Das ist zumindest die Sichtweise vieler Handwerker in Österreich und Deutschland, wie Arno Kloep vom Beratungsunternehmen Querschiesser bestätigt. Er weiß von Studien, die aufzeigen, dass die Installateure um ein Drittel mehr montieren könnten, wenn sie sich auf die Digitalisierung einlassen würden. „Aber ich bin 56 und werde das nicht mehr erleben“, ist Kloep sicher. Was er sieht ist, dass die Handwerker in Deutschland in manchen Regionen die Stundenlöhne drastisch erhöhen, womit Nachfrage zurückgedrängt werde, wie er sagt. Das sei keine gute Strategie, denn letztlich entscheide die Montagekapazität über das Bestehen am Markt, so der Berater.
Die Angst der Installateure
Hierzulande schaut die Realität ganz anders aus – die Österreicher wagen es nicht, die Preise zu erhöhen, und äußern in den Interviews vor allem eines: Angst. Sie fürchten, dass die Energieversorger künftig Heizkessel installieren. Sie haben also Angst vor alternativen Vertriebskanälen. „Und sie agieren völlig unschlüssig, sie haben viel Arbeit und trotzdem Angst“, so Kloep über die Befindlichkeit des Berufszweigs. Dass die ganze politische Angstmacherei eine Rolle spielen könnte, sagt er nicht. Was man sicher weiß ist, dass jede Veränderung Angst mit sich bringt – und wenn man den Veränderungen teilnahmslos gegenübersteht, steigt die Tendenz zur Angst. Ob die heimischen Handwerker vom Großhandel verwöhnt werden, weil sie so viel Angst haben, weiß man hingegen nicht. Faktum ist, dass die Vertreter des Handels sehr viel tun, um ihre Schäfchen zu pflegen. Die Leistungsdichte sei „brillant“, meint Kloep, werde sich aber mittel- und langfristig nicht aufrechterhalten lassen. Eher werde das Gegenteil eintreten – der Handel werde künftig Leistungen des Handwerks übernehmen, so die Prognose. Dazu taucht immer wieder der Begriff Montage-Trupps auf. Das klingt einerseits schlüssig, weil der Handel und die Industrie ihren Absatz sichern wollen. Andererseits stellt sich freilich die Frage, mit welcher Manpower der Handel installieren will, wenn schon die Installateure kein Personal finden. Was vielleicht auch an der Bezahlung liegen könnte: Etwa 60 Prozent der befragten Installateure geben an, dass sie zuletzt weder die Stunden- noch die Materialpreise erhöht haben. Wer nicht mehr einnimmt, kann auch nichts an seine Beschäftigten weitergeben. In Deutschland haben die Klempner die Stundenlöhne innerhalb der letzten zwei Jahre immerhin um durchschnittlich 5 Euro erhöht. Wer etwa auf der Insel Sylt einen Installateur braucht, muss heuer um bis zu 16 Euro mehr zahlen als im Vorjahr, weiß Kloep.
Branchenspaltung ist absehbar
Interessant ist, dass hierzulande die Installateure zugleich über die hohe Auslastung (40 % sehr stark ausgelastet, 23,3 % gut ausgelastet) stöhnen. Und noch komplizierter wird es, wenn man den hohen Schwarzarbeiterindex in die Betrachtung mit einfließen lässt, so der Analyst. Sein Resümee: „Österreichs Handwerker agieren nicht rational.“ Und sie seien zu weinerlich und nicht bereit, Neues zu denken. Wohl deshalb seien sie auch nicht ernsthaft bereit, sich in Sachen Digitalisierung einzubringen, meint Kloep. Aus all den Ergebnissen zieht er für die Industrie einen Schluss: „Sie braucht Ideen für Absatzkanäle abseits der Fachschiene, weil das Handwerk den Absatz wegen des Facharbeitermangels nicht sichern kann.“ Die Branche werde sich künftig spalten: Es werde Lohnmonteure geben, die vielleicht über Franchise-Systeme Aufträge der Industrie erledigen. Und dann werde es weiterhin echte Installateure geben, die selbst Aufträge generieren. Beide Kategorien müssen sich jedoch digitalisieren, wegen des Drucks oder als Chance, ist Kloep überzeugt. Aus all den gesammelten Meinungen und den Daten des IHS leitet der Unternehmensberater eine Konjunkturprognose für die Sparten ab. „Es wird schlechter als 2018, rechnen Sie mit einer schwarzen Null“, sagt Kloep den Industrievertretern. Denn die Prognose bei den Wärmeerzeugern zeige, dass auch die Konsumenten Angst haben. Sie lassen ihren alten Kessel im Keller lieber noch weiterlaufen, wohl auch, weil manche gar nicht so recht wissen, was eigentlich die Lösung für die Zukunft sein kann. Was das Ergreifen neuer Chancen betrifft, sind auch die Handwerker ziemlich resistent. Im Schnitt sind die Vertreter des Handwerks bereit, sich pro Jahr drei Tage beim Handel schlau zu machen, weitere drei Tage opfern sie für Innovationen und Schulungen bei der Industrie. Das sei angesichts der Komplexität der Technik wenig, so Kloep, der auch für Messeveranstalter eine Hiobsbotschaft bereithält: Branchenmessen und Hausmessen verlieren an Bedeutung, in Zukunft seien Roadshows gefragt, meint der Branchenkenner. Und der Point of Sale für Sanitär-Produkte wandere in die Schauräume, was angesichts der Materialschlachten des Großhandels hierzulande wenig überraschend sei. Dabei werde es nicht bleiben: „Der Handel weitet das Angebot auf viele Bereiche aus und macht sich gegenseitig das Leben schwer“, erklärt der deutsche Experte.
Ganz am Ende seiner Branchenanalyse wirft er den Zuhörern noch ein Kreisdiagramm mit drei Begriffen an die Wand: „Beharrung, Angst und Ohren zu“ – sie prägen das Handwerk. Der Großhandel und die Industrie seien gut beraten, dem entgegenzuwirken, sonst drohe der Kollaps, so seine Prognose. Der kommt vielleicht ohnehin, aber nicht schlagartig, sondern schleichend. Und vielleicht entscheidet dabei das Verhalten des Installateurs-Handwerk gar nicht viel mit. Wenn die Modulbauweise jene Fortschritte macht, die manche Zeitgenossen voraussagen, dann wird künftig im Neubau weitaus weniger auf der Baustelle montiert und installiert. Und um die Sanierung und Wartung des Bestands werden sich jene Unternehmer kümmern, die imstande sind, qualifizierte Mitarbeiter zu halten und ihre Kunden zufriedenzustellen. Das wird entweder teuer oder eben nur halbwegs ordentlich erledigt werden.