Hybrid in die Zukunft

Das Grazer Architekturbüro Hohensinn gehört seit langem zu den renommiertesten Holzbauplanern. In der Zukunft sollte Architektur nur mehr als Hybrid gedacht werden, der auch Klimaaspekte einbezieht, so der Geschäftsführer.

In der letzten März-Woche begannen auf den Reininghaus-Gründen in Graz, dem zweitgrößten Stadtteil-Entwicklungsprojekt Österreichs, die Arbeiten an einem Park-Pavillon inmitten des künftig zentralen Platzes als multifunktionalen, urbanen Treffpunkt. Planer des mit rund 830.000 Euro Bauvolumen kleinen Projektes ist die Grazer Hohensinn Architektur ZT GmbH, die aus einem Wettbewerb der Stadt Graz als Sieger hervorgegangen war. Natürlich, ist man fast versucht zu schreiben, wird der Pavillon mit 36 m² Nutzfläche und der Adresse Unesco Esplanade 14 aus Holz gebaut.

Ob sich das Büro Hohensinn als Holzbau-Architekten bezeichne, will Building Times wissen? „Ja, aber nicht zu 100 Prozent. Denn es ist nicht überall gescheit, gleich voll mit Holz zu planen“, antwortet Architekt Karlheinz Boiger. Er ist seit 2017 Partner und Geschäftsführer bei Hohensinn, hält 16 Prozent der Anteile, seine Kollegin Annette Strasser neun Prozent und Josef Hohensinn 75 Prozent. Er hat das Büro 1998 gegründet.

„Wir lieben es, mit Holz zu planen und zu bauen“

„Wir lieben es, mit Holz zu planen und zu bauen. Das ist ein toller Werkstoff und er bietet so viele Möglichkeiten, ist nachhaltig, ein CO²-Speicher über den ganzen Lebenszyklus betrachtet, usw. Ich bin ein großer Verfechter von Holz und habe relativ früh begonnen mit Holz zu planen und das wird in Zukunft noch mehr werden,“ sagt Boiger. Gerade für Schulen, Kindergärten und Wohnen. Wofür das Büro Hohensinn mit den Volksschulen in St. Marein und Viktor Kaplan in Graz auch gleich Beispiele im Portfolio hat.

Die Holzbau-Situation habe sich in den letzten Jahren extrem verändert, auch seien die Preise ein bisschen schwankend. Österreich sei führend im Alpenraum, unter anderem auch deshalb, weil die Zimmerei lokal organisiert und hoch angesehen sei, nur kurze Wege zu bewältigen seien und die heimische Wertschöpfung einigermaßen in der Region bleibe – alles sehr persönlich also. „Die Betonierer hingegen machen sehr viel im Sub-Sub-Sub“.

Mit Seewood Holzbau-BIM entwickeln

Hohensinn ist zusammen mit Nussmüller Architekten auch Gründungspartner des interdisziplinären Planungsnetzwerks Seewood, um das es in den letzten Jahren sehr ruhig geworden ist. „Sepp Hohensinn und Werner Nussmüller haben sich im Herbst 2020 zurückgezogen, worauf Stefan Nussmüller und ich übernommen haben. Wir wollen gemeinsam digitale Tools, BIM, für den Holzbau entwickeln“, kündigt Boiger an. Apropos BIM: „Wir planen relativ nahe an BIM-Zertifizierungen herum, haben aber sehr wenig BIM-zertifizierte Player, weil Fachplaner noch nicht mitkönnen“, sagt der Architekt, der BIM über die Seewood-Aktivitäten auch für sein Büro voranbringen will. Boiger macht keinen Hehl daraus, dass es für ihn bevorzugte Fachplaner gibt: „Ja, natürlich, denn über die Jahre entsteht ein gewisses Vertrauensverhältnis. Zwar werden manchmal vom Bauherrn andere Fachplaner eingebracht, aber wenn wir die Wahl haben, dann ist das für die Statik im Betonbau Wendl (Wendl Consulting Civil Engineers, Graz), im Holzbau Sepp Koppelhuber (Con-Lignum ZT GmbH, Rottenmann) und für den Brandschutz haben wir in Graz ohnehin so eine Koryphäe mit Norbert Rabl (Norbert Rabl Ziviltechniker GmbH).

Mit gleich vier Holz-Wohnbauten, „reinen“ Holzbauten, ist Hohensinn im Reininghaus-Stadtteil bereits präsent, vier sechsgeschoßige Wohnhäuser im Auftrag der ENW/ennstal wurden vor kurzem schon übergeben. Es ist das bisher größte reine Holzbau-Quartier der ENW und wird auch deshalb als „Meilenstein“ im mehrgeschossigen Wohnbau in der Steiermark bezeichnet.

60 hochwertige Wohnungen wurden hier um knapp 35 Millionen Euro hingestellt. „Wir haben dafür einen Wettbewerb gewonnen und uns mit dem Grazer Architekturbüro balloon das Baufeld geteilt, erläutert Karlheinz Boiger. Gebaut wurde von Strobl Bau-Holzbau mit dem begnadeten Zimmer- und Holzbaumeister Johann Harrer, einem der Pioniere im steirischen Holzbau. Im viel kleineren Quartiersentwicklungsprojekt „Smart City Graz“ hat das Büro Hohensinn zwar gemeinsam mit Nussmüller das große Baufeld Mitte bearbeitet, ist aber bei der Ausführung nicht zum Zug gekommen. „Dort haben Bauträger häufig wechselnde Eigentümer, der Hintergrund dafür ist Spekulation“, beobachtet der Architekt.

Beim Um- und Ausbau des Grazer Dorotheums stellt sich dieses Problem nicht, der ist im Laufen. „Dort haben wir eine neue Struktur in die alte gestellt, jetzt geht’s an die Fachgewerke“, berichtet der Architekt. „Das ist eine sehr spannende Baustelle mit sehr wenig Platz und der Straßenbahn daneben, sowie reger Abstimmung mit der Altstadt-Sachverständigenkommission, wie die Fassade aussehen soll, die zuletzt aus Waschbetonplatten bestanden hat. Das Gebäude selbst hat viel Tradition, weil es aus 1907 stammt und vor dem Zweiten Weltkrieg ein Kaufhaus – das ‚Englische Haus‘ war“. Ebenfalls gerade in Bau ist das Schlossquartier in Eisenstadt – „da sind wir mitten im Rohbau“ – ein Hotel- und Wohnbau der Vital Immobilien GmbH und der Hotel Paul Errichtungs GmbH, dessen Fertigstellung für 2022 geplant ist, in unmittelbarer Nähe zum Schloss Esterhazy.

Anerkennungspreis für Glanbogen

Für das interessante Projekt „Glanbogen“ hat das Büro Hohensinn im letzten Spätherbst eine Anerkennung zum Architekturpreis des Landes Salzburg verliehen bekommen. Das größte Sanierungsprojekt der Stadt umfasste eine nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Wohnsiedlung der US-Armee, die umfassend saniert und verdichtet wurde. Zwischen die 18 Bestandsbauten, deren Dachböden ausgebaut wurden, setzte Hohensinn nach einem Wettbewerbsgewinn sechs Neubauten, aufgeständerte Sechsgeschoßer mit Holzfassaden in einer Mischbauweise aus Holz und Beton. Das Projekt wurde im Herbst abgeschlossen und hat mehr als 100 Millionen Euro gekostet. Was die Frage nach dem Wert von Preisen und der Bedeutung von Wettbewerben für den Architekten Boiger aufwirft. „Im Grunde ist es ganz schön, wenn man im Nachhinein einen Preis erhält und positives Feedback bekommt. Aber wirklich notwendig ist es nicht, die Preise sprießen ja nur so hervor. In Online-Medien helfen sie sehr, Aufmerksamkeit zu generieren. Wichtig ist aber die Nutzer-Zufriedenheit“, sagt der Hohensinn-Geschäftsführer.

Anders sieht es da schon mit den Wettbewerben aus: „Die sind grundsätzlich sehr wichtig und wir sind immer auf der Suche. Wir haben 34 Mitarbeiter und brauchen daher auch größere Projekte“, sagt Boiger. Einerseits seien Wettbewerbe ein Akquise-Tool, andererseits böten sie eine durchaus wichtige Auseinandersetzung mit gewissen Themen. Die genannten 34 Mitarbeiter erzielen einen Jahresumsatz von durchschnittlich rund 3,5 Millionen Euro, was eine recht gute Benchmark pro Kopf ergibt, die nicht sehr viele Architekturbüros erreichen.

Videokonferenzen ersparen Autofahrten

„Während des ersten Lockdowns 2020 waren wir im März, April und Mai im Homeoffice, das war eine komplette Umstellung und ging dann sehr gut. Im Herbst war nur mehr die Hälfte im Homeoffice und seit Jahresanfang sind wir wieder voll im Büro. In der intensiven Kommunikation tun wir uns jetzt wesentlich leichter“, schildert Boiger seine individuellen Pandemie-Erfahrungen. „In der Kommunikation nach außen, mit Bauherren, Baufirmen und Fachplanern, geht fast alles über Videokonferenzen. Das spart sehr viele Wege und Autofahrten und hat sich sehr positiv ausgewirkt“.

Architektur als Mehrwert sehen

Architektur müsse man schon ein bisschen als Mehrwert sehen, der über die Funktion hinausgehe, sagt Boiger, „denn natürlich ist Architektur viel mehr, vor allem in Richtung Baukultur. Wir sollten Architektur in Zukunft nur mehr als Hybrid denken, der auch Klimaaspekte einbezieht. Und wir sollten auch an Ressourcen und den Planeten denken. Architekten müssen mehr Diskussion mit der Öffentlichkeit suchen, denn 90 Prozent des Bauens in Österreich findet ohne Architekten statt“.

Auf die Frage nach No-Gos reagiert Karlheinz Boiger vorerst mit einem „Hm“ und meint sodann, dass sein Büro und er sich diese Frage schon oft gestellt hätten. „Wir haben ja auch Gefängnisse geplant (Leoben und Berlin, Anm.) und mit den Behörden das Bestmögliche versucht, den Strafvollzug über den gebauten Raum zu verändern. Das kommt auch den Wachebeamten zugute. Es geht darum, Mehrwert zu schaffen, das ist auch unsere Verantwortung“. So gesehen ist es fast selbstverständlich, dass Karlheinz Boiger Mitglied des Breathe Earth Collective ist, dessen Ausstellung „Klima-Kultur“ noch bis 2. Mai im Wiener MAK zu sehen ist, und das Ende April den Klima-Kultur-Pavillon auf dem Grazer Freiheitsplatz eröffnen wird.