Fünf Türme, ein Heiz-Kühl-System

Wärmepumpen und das Wasser des Donaukanals versorgen das TrIIIple, den Austro Tower und ein weiteres Hochhaus mit Wärme und Kälte.

Das Bürohaus Austro Tower am Wiener Donaukanal in Erdberg feierte eben erst Dachgleiche. Im TrIIIple gleich daneben läuft bereits seit Dezember die Bauheizung, schon bald werden die ersten Bewohner in die Hochhäuser einziehen. Insgesamt stehen rund 500 Wohnungen und 680 Mikroappartements zur Verfügung. Ein weiteres Bürohaus mit einer Höhe von rund 70 Metern ist gerade in Vorbereitung. Es ist schon richtig viel Kubatur, die dort an der Ausfallstraße zum Flughafen gerade entsteht. Aber nicht nur das, denn auch bei der Wärme- und Kälteversorgung des Quartiers gehen die Bauherren Soravia und ARE einen besonderen Weg. Es wird nicht so wie die nahe stehenden Bauten von TownTown mit Fernwärme und -kälte versorgt, sondern mit einer autarken Lösung, bei der klassische Versorger lediglich den Strom liefern.

Konkret werden das Wasser des Donaukanals und von Grundwasserbrunnen zum Heizen und Kühlen der mehr als 100.000 m² Fläche verwendet, wie Andreas Glatzl, einer der beiden Geschäftsführer der SEM Energie- und Gebäudemanagement GmbH, erklärt. Damit sei das Projekt von der Größenordnung her bislang einzigartig in Österreich, sagt er.

In einem der Wohntürme sind dazu vier Viessmann-Wärmepumpen eingebaut, die bis zu tausend Kubikmeter Donauwasser auf eine nutzbare Temperatur von bis zu 80 Grad hochpumpen. Eine weitere Wärmepumpe wird noch folgen, sobald der geplante Büroturm in Betrieb geht, so Glatzl. Dazu kommt ein Puffervolumen von insgesamt 60 Kubikmeter. Damit lasse sich Wärme und Kälte auf Vorrat speichern, um günstige Energietarife zu nutzen und Bedarfsspitzen abzuflachen. Betrieben werden die Wärmepumpen ausschließlich mit Ökostrom. Beim Kältemittel habe man sich für eine klimaschonende Variante mit einem Global-Warming-Potenzial von unter 1 entschieden. Das sei zwar teurer, dafür aber umweltfreundlich.

10 MW Wärme und 6 MW Kälte

Im Endausbau stehen den fünf Bauten rund 10 MW Wärme und 6 MW Kälte zur Verfügung. Die Abgabe von Wärme und Kälte erfolgt zum Teil über Bauteilaktivierung, es kämen in manchen Gebäudeteilen aber auch Fancoils zum Einsatz, so der Manager. Ferner werden auch nicht alle Wohnungen und Studentenappartements gekühlt. Eine Besonderheit der Lösung ist, dass die Anlage im Dual-Use-Modus betrieben werden kann. Dadurch können die Wohnungen beheizt und die Büro- und Verkaufsflächen gleichzeitig klimatisiert werden. Eingebaut wurde ein Gutteil der Technik von der Firma RM Rohrmontagen in Turm 1 auf 700 m², die sich auf zwei Geschoße verteilen. Das spart klarerweise Platz in den anderen Bauten. Im Austro Tower sah die ursprünglich vorgesehene konventionelle Gebäudetechnik im Dachgeschoß großflächige Kältezentralen vor. Diese sind nun nicht nötig, womit ein nutzbares Geschoß gewonnen wurde, so Glatzl. Er ist übrigens seit 20 Jahren im Metier tätig und hat sich die Basis in Pinkafeld im Studium Energie- und Umweltmanagement angeeignet.

Voraussetzung Kostenneutralität

Voraussetzung für die unkonventionelle Versorgung des TrIIIple-Quartiers war die Kostenneutralität im Vergleich zu Fernwärme und -kälte. Diese sei jedenfalls gegeben, wie die ersten Betriebsanalysen zeigen. „Es wurde richtig gerechnet“, sagt der Experte. Besonders im Kühlfall sei die Effizienz des Systems immens. Das Wasser des Donaukanals habe in bisherigen Messungen an sehr heißen Tagen nie mehr als 23 Grad erreicht. Und die auf dem Austro Tower geplante Photovoltaikanlage mit 160 kWpeak liefert im Sommer reichlich Strom für den Betrieb der Wärmepumpen. Wer meint, dass durch die Wassernutzung die Temperatur des Donaukanals dramatisch ansteigt, der irrt. Die Temperaturbeeinflussung liege bei 0,02 Prozent des Wasseraufkommens, das wegen der Strömung, Tiefe und Breite des Donaukanals sehr beträchtlich sei, wie Glatzl sagt. Ein Spaziergang sei die realisierte Lösung freilich nicht gewesen. Für die Wasserentnahme sei ein Flusswasserbauwerk errichtet worden und genehmigungsseitig waren viele Instanzen involviert. Zwischen Bauwerk und dem Hochhausquartier liegen ein Radweg, ein Autobahnzubringer und eine Straße. Weiters ist der Donaukanal eine Schiffsstraße und Fischereigewässer, weshalb bei den Bauten und Zuleitungen schließlich diverse behördliche Instanzen betroffen sind.

Das gesamte Projektvolumen inklusive Fernwärmeleitungen und Flussbauwerk beziffert Glatzl mit 9,7 Millionen Euro. Einen Gutteil davon, nämlich 6,5 Millionen stellt die Kommunalkredit als Finanzierungspartner zur Verfügung. Die Höhe der Förderung ist noch offen.

Drittmarkt im Fokus

Konzipiert wurde das Versorgungssystem von der SEM, installiert haben Subfirmen, wenngleich die SEM mit ihren rund 50 Mitarbeitern auch eigenes Montage- und Wartungspersonal beschäftigt. „Bei Anlagen bis zu rund tausend kW fungieren wir selbst als Installateur, darüber engagieren wir Anlagenbauer“, so Glatzl, der den Umsatz der SEM mit rund 8 Millionen Euro beziffert. Er sieht gute Chancen, die Dienstleistung der Wärme- und Kälteversorgung künftig verstärkt am Drittmarkt zu etablieren. Interessant wären für ihn auch größere Wohnbauten in Gebieten, wo keine Fernwärmeversorgung vorhanden ist.

DIE FIRMA

Die SEM Energie- und Gebäudemanagement GmbH ist ein Unternehmen, das zu 51 Prozent der Soravia-
Gruppe gehört, den Rest hält die Mach Energiegesellschaft mbH, an der Glatzl die Mehrheit hält. Neben
Glatzl fungiert Herbert Jansky als Geschäftsführer. Das Unternehmen bietet Services wie Beratung in Fragen von Energie-Contracting und -Consulting sowie Leistungen rund um die Planung und Ausführung von energieeffizienzsteigernden Maßnahmen bei Gebäuden, Gebäudehüllen, Energie-, Heizungs-, Licht und Regelungstechnik. Außerdem befasst sich SEM mit der Erzeugung, dem Verkauf und der Lieferung von Energie und bietet 24/7-Services für Heizzentralen und Wärmeanlagen.