Die Internationalen
Die Architekturfirma Dietrich I Untertrifaller mit ihren fünf Standorten in vier Ländern hat wegen Covid kein einziges Projekt verloren. Im Gegenteil, es konnten sogar noch große, neue Projekte akquiriert werden. Seit fünf Jahren wird sie von vier geschäftsführenden Gesellschaftern geleitet.
Österreichische Architekturbüros, die Projekte in anderen, meist europäischen, Ländern planen, sind heute schon ziemlich häufig zu finden. Solche, die außerhalb Europas planen, sind eher die Ausnahme. Architekturbüros, die neben zwei Standorten in Österreich auch Büros in Deutschland, der Schweiz und Frankreich betreiben, sind überaus selten.
Das 1994 von Helmut Dietrich und Much Untertrifaller gegründete Büro, das sich als „typischen Vertreter der Vorarlberger Schule“ bezeichnet, wird seit Anfang 2016 von einem Vierergespann geleitet. Seit damals fungieren Dominik Philipp und Patrick Stremler, die jeweils ein Viertel der Architekturfirma besitzen, gemeinsam mit den Gründern als geschäftsführende Gesellschafter. „In den Büros in Bregenz und Wien haben wir jeweils etwa 40 Mitarbeiter, das Büro in St. Gallen ist relativ klein, dort haben wir nur eine Handvoll Leute, in Paris sind es knapp 20 und in München knapp 30. In Summe kommen wir nah an 130 heran“, erläutert Architekt Stremler (41) im Interview mit Building Times die Bürostruktur und fügt an: „Wir wollen keine große Firma sein, sondern fünf kleinere Büros, in denen jeder Mitarbeiter den Überblick behalten kann“. Nimmt man einen durchschnittlichen Jahresumsatz von elf bis zwölf Millionen Euro an, so wird man anhand der bis vor kurzem noch 110 Mitarbeiter nicht ganz falsch liegen. Die vier Geschäftsführer pendeln, in Normalzeiten, zwischen den einzelnen Standorten und teilen sich die Rollen als Ansprechpartner in Doppelbesetzung auf: Stremler beispielsweise ist primär für die Teams in Bregenz, St. Gallen und München erste Adresse.
Pandemie brachte große Projekte
„Unsere Auftragslage ist absolut in Ordnung. Wir haben wegen Covid kein einziges Projekt verloren und konnten sogar große, neue Projekte akquirieren. Und Projekt-Verschiebungen hat es nur im Mikrobereich gegeben“, ist der Architekt hörbar zufrieden. Beim ersten Lockdown im letzten März „hatten wir das große Glück, dass wir die Infrastruktur sowieso hatten, insbesondere für die Mitarbeiter, die zwischen Standorten oder zu entfernten Projekten pendeln“, erläutert Stremler und ergänzt: „Innerhalb von zwei Tagen hatten wir alle Mitarbeiter im Homeoffice. Wir mussten etwas Hardware zukaufen, das ging aber auch organisatorisch sehr gut“. Architektenwettbewerbe seien sehr wichtig, sagt Stremler, „die meisten Akquisitionen kommen nach wie vor über Wettbewerbe“. Dementsprechend spielten auch Preise „eine sehr große Rolle, denn das ist ja gewissermaßen auch eine Anerkennung und gibt als Qualitätssiegel eine Orientierung. Preise können auch als Akquisitionshilfe dienen und manchmal muss man auch in Wettbewerben Projekte nennen, die Preise gewonnen haben. Für einige namhafte Auszeichnungen muss man aber große Summen bezahlen, die Neutralität ist damit nicht mehr gegeben. Um solche Preise machen wir einen großen Bogen“, betont der Manager-Architekt.
Preise zuhauf
Nun, Preise fahren Dietrich I Untertrifaller jede Menge ein, jüngst erst sind zwei Vorarlberger Bauherrenpreise dazugekommen, einer für die Stadtbibliothek in Dornbirn und einer für die Volksschule Unterdorf in Höchst. Allein im Übersichtswerk „Best of Austria – Architektur 2018_19“ werden für das Büro D I U acht Preise ausgewiesen, was mit Abstand die meisten Nennungen bedeutet. Die Stadtbibliothek Dornbirn, für die Anfang 2016 zusammen mit Christian Schmoelz der internationale Architekturwettbewerb gewonnen wurde, „ist ein ovaler Pavillon, der als eigenständige Form in den Park gesetzt wurde“, heißt es in der Projektbeschreibung, „wobei der Zugangsweg das Gebäude durchquert, das dadurch zum öffentlichen Raum wird“. Die VS Unterdorf in Höchst hingegen, ebenfalls ein Wettbewerbsprojekt, sei „eine radikale und kompromisslose Umsetzung der modernen ‚Clusterschule‘ in einem schlichten, langgestreckten, ebenerdigen Holzbau und Teile der Außenflächen und Sportanlagen stünden der örtlichen Bevölkerung als frei zugängliches Spiel- und Freizeitareal zur Verfügung“, sagen die Planer.
Architektur schafft räumlichen Kontext des Lebens
Die Frage, welche gesellschaftspolitische Rolle die Architektur spiele, lässt Architekt Patrick Stremler keine Sekunde zögern, sondern mündet in einem Privatissimum: „Nach einem erweiterten Architektur-Begriff schafft Architektur ja den räumlichen Kontext des Lebens. Architekten sind oft mit dem Vorwurf konfrontiert, nur an die Ästhetik zu denken. Doch es kommt erstmal auf die Programmierung der Räume an: Wie kommen Kollegen, Bewohner oder Nachbarn miteinander ins Gespräch, wie bekommen wir den sozialen Zusammenhang und soziale Sicherheit wieder hin, die wir zum Beispiel aus klassischen Dorfgemeinschaften oder Stadtquartieren kennen? Musik, Feuerwehr, Kirche, Fußball, etc. sind alles Themen, über die Gemeinschaften in der Vergangenheit zusammengerückt sind“.
In den Städten und den Schlafstädten unserer Metropolen finde das heute nicht mehr statt, glaubt Stremler und folgert daraus, „dass wir neue Ansätze finden müssen, um das Auseinanderfallen unserer Gesellschaften zu vermeiden. Die sozialen Netzwerke der Datenwelt können hier nur wenig helfen. Architektur muss sich heute solche Fragen stellen und funktional sowie ästhetisch die Räume schaffen, die darauf reagieren. Bitte verstehen Sie mich aber nicht falsch: Die sorgfältige Gestaltung und Detaillierung unserer gebauten Umwelt ist uns trotzdem extrem wichtig und ich denke, das erkennt man auch an unseren Projekten“.
Entwicklung der Architektur aus dem Kontext heraus
Womit indirekt auch die No-Gos von Dietrich I Untertrifaller beantwortet werden: „Wonach wir suchen, ist die sehr starke Entwicklung unserer Architektur aus dem Kontext heraus, aus der Breite. Die Naturräumlichkeit ist uns sehr wichtig und wenn wir Häuser bauen, dann nur mit geringem Ressourcenverbrauch und ohne die gewachsene Landschaft zu verändern. Und unter Einbindung in den sozio-kulturellen und handwerklichen Kontext“, erläutert Architektur-Geschäftsführer Stremler und fasst zusammen: „Es geht darum, ein Gebäude zu bauen, das den Nutzern dient und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert, indem es ihn bereits in den Planungs- und Bauprozess integriert“. In den derzeit laufenden Projekten findet diese Haltung gebaute Umsetzung, beispielsweise bei dem von Prisma realisierten neuen Raika-Ensemble samt 30-Meter-Turm in Salzburg-Liefering, für das im Spätherbst Baubeginn gewesen ist.
Um einen Wettbewerbssieg handelt es sich auch beim im Bau befindlichen TUM Campus im Münchner Olympiapark. „Sicher einer der größten Holzbauten, die derzeit in Europa entstehen“, stellt Stremler fest. Mit 42.000 m² Brutto-Grundfläche, 14 Sporthallen, zwölf Hörsälen, 15 Diagnoseräumen, fünf Werkstätten, Büros, Cafeteria und Bibliothek wird der Komplex 185 Meter lang und 153 Meter breit – unter einem riesigen, vorgefertigten Holzdach. „Das Gebäude ist extrem zurückhaltend und ordnet sich der denkmalgeschützten Architektur des Olympiaparks von Günter Behnisch unter“, betont der Architekt.
Städtebaulich interessant sei auch das „Quartier Kleineschholz“ in Freiburg (D). „Das bringt die soziale Integration sehr gut unter, schafft Wohnungen für verschiedene Lebenssituationen und verschiedene Räume für soziale Interaktion. Da erheben sich gleich einige ganz wichtige Fragen: Wir werden in Zukunft wesentlich weniger Fahrzeuge haben – wie geht man damit um? Was macht man mit den Erdgeschoßzonen? Wie programmiert man ein Stück Stadt? Wir planen unter anderem gemeinsames Gärtnern mit Gewächshäusern auf dem Dach“, so der Architekt.
Großvolumigen Wohnbau der anderen Art haben Dietrich I Untertrifaller mit dem „Kuku 23 – Wohnen im Kunst- & Kulturquartier“ entlang der Liesing geplant, in unmittelbarerer Nachbarschaft zur Sargfabrik und des geplanten Bildungscampus. Es ist genauso ein Wettbewerbsgewinn wie die „Opes Works“ in Oberhaching südlich von München. „Für diesen Holz-Hybridbau haben wir einen extra low-tech-Ansatz gewählt und wollen ein nahezu CO2-neutrales Gebäude schaffen, um damit ein zukunftsweisendes Zeichen für die Klimaneutralität 2050 zu setzen“, erläutert Stremler, der mit seinen Büros auch gerne Sanierungen macht, siehe Volkstheater. „Oder das Zacherlhaus in der Wiener Innenstadt, das ist ein Stück Plečnik und angemessene Architektur“. Und der Vollständigkeit halber: Der DC Tower 3 kommt auch aus den Ateliers von Dietrich I Untertrifaller.
Relativ großes Fachplaner-Netzwerk
Namen bevorzugter Fachplaner will Stremler keine nennen, sondern erklärt vielmehr: „Wir haben ein relativ großes Netzwerk an Fachplanern und wählen aus, je nachdem wo wir sind – immer auf der Suche nach dem bestmöglichen Team für die jeweilige Aufgabe“. Wichtig sei, die Fachplaner möglichst früh einzubinden, um die Sachen gemeinsam – „wie ein Orchester“ – zu entwickeln.
BIM spielt im Ensemble der Planer inzwischen eine tragende Rolle: „Da sind wir mittendrin, das läuft bei uns auf vollen Touren, wir sind die größten Unterstützer dieser Technologie, die den gesamten Planungsprozess verändert. Weil viel exakter und integraler geplant wird und das Ergebnis auf modernen CNC-Maschinen fertigen kann – insbesondere im Holzbau – und auf der Baustelle wird nur noch zusammengebaut. Enorm effizient und präzise“, betont Stremler.