Beton und Zement als Schlüssel für Klima-Resilienz

Wildbach- und Lawinenverbauung, zukunftsfitte Infrastruktur und innovative Entwicklungen in Forschung und Praxis: Das 46. Kolloquium „Forschung & Entwicklung für Zement und Beton“ der VÖZ als Branchentreffpunkt.

Zum Austausch von Wissenschaft und Praxis über Zukunftsfragen der Bauindustrie konnte die Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ) rund 300 Personen in der Wirtschaftskammer Österreich in Wien begrüßen – ein Zeichen, dass Forschung und Entwicklung einen hohen Stellenwert in der Branche haben.

„Die Bauwirtschaft steht vor der Herausforderung, CO₂-Emissionen so rasch als möglich zu senken und gleichzeitig Strukturen zu schaffen, die den zunehmenden, klimawandelbedingten Extremereignissen bestmöglich standhalten. Zement und der Baustoff Beton spielen dabei eine zentrale Rolle: Mit dem regional verfügbaren, langlebigen und widerstandsfähigen Baustoff werden Schutzbauten und Infrastrukturen errichtet, die über Generationen bestehen und damit auch einen wichtigen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel leisten“, so Sebastian Spaun, Geschäftsführer der VÖZ. „Der fachliche und persönliche Austausch über aktuelle Entwicklungen ist dabei zentral, um für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet zu sein.“

Stadt, Land, Fluss und Berge im Klimawandel

Klimawandel, Extremwetter, Naturgefahren – unsere Infrastruktur steht unter Druck. Genau diesem Thema widmete sich Florian Rudolf-Miklau, Leiter der Abteilung Wildbach- und Lawinenverbauung im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft, in seiner Keynote, und wies auch auf die Grenzen der Anpassungsfähigkeit eindringlich hin. „Die Erderwärmung – Prognose für den Alpenraum: plus 3 Grad – setzt in den österreichischen Gebirgsregionen Naturgefahrenprozesse von teilweise extremem Ausmaß in Gang, die unsere Schutzsysteme an die Grenzen ihrer Wirksamkeit führen, wie zuletzt die Bergsturzkatastrophe in Blatten in der Schweiz“, so Miklau. „Das ‚Neue Normal‘ sind häufigere Extremereignisse, die den Schutz vor Naturgefahren in den Alpen vor große Herausforderungen stellen und neue Konzepte erfordern, wenn das Sicherheitsniveau auch in den nächsten Jahrzehnten auf dem aktuellen Stand gehalten werden soll.“

Im Anschluss diskutierte ein hochkarätig besetztes Podium erforderliche Anpassungen von Gesellschaft und Infrastruktur an die Herausforderungen des Klimawandels. Einigkeit herrschte unter anderem darüber, dass proaktives Handeln, Investitionen in die blau-grüne Infrastruktur und Mut zur Veränderung unumgänglich sein werden.
Judith Engel, Vorständin ÖBB-Infrastruktur AG, berichtete über die steigende Anzahl an Einschränkungen beim Bahnbetrieb aufgrund von Extremwetterereignissen wie Unwettern, Starkregenfällen und Murenabgängen. Simon Tschannett, Weatherpark, ergänzt: „Klimawandelbedingte Extremereignisse sind keine Ausnahme mehr, sondern prägender Teil unserer Realität – und sie werden häufiger und heftiger. Klimaschutz und Anpassung rücken daher unweigerlich immer stärker in den Fokus. Als Gesellschaft müssen wir tun, was nötig ist – nicht nur das, was machbar erscheint: die drastische Anpassung unserer Städte und Dörfer an Hitze und Starkregen mit Hilfe von blau-grüner Infrastruktur. Dafür braucht es klare gesetzliche Rahmenbedingungen, ein eindeutiges Mandat und das nötige Budget“, so der Experte

Theorie trifft Praxis: CO2-reduzierte Zemente und Betone

Den Startschuss für den Vortragsthemenblock gab Christoph Stotter von Wietersdorf Alpacem und berichtete über die Erfahrungen mit klinkerreduziertem Zement im Tunnelbau. Anschließend informierten Christoph Ressler und Martin Reymaier vom Güteverband Transportbeton über Wege, nachhaltige Betone transparent auszuschreiben und zu bewerten. Die Österreichische Bautechnik Vereinigung (ÖBV) hat dazu auf Anregung und unter Mitwirkung des GVTB erst vor kurzem das Merkblatt „CO₂-Klassen für Beton“ publiziert.

Ökobilanzierung, Dauerhaftigkeit und Bauteilaktivierung

Ein weiterer Vortragsblock war der nachhaltigen Anwendung von Beton, etwa im Bürckenbau, gewidmet. Die Dauerhaftigkeit von Beton wurde anhand von Analysen von Beton aus der Straßendecke des Arlbergtunnels gezeigt, der nach 45 Jahren noch immer hervorragende Qualität aufwies, wie Michael Steineder, Smart Minerals GmbH, in seinem Vortrag betonte.

Den krönenden Abschluss des Kolloquiums bildete ein Vortrag zur Bauteilaktivierung. Walter Becke, AEE Intec, stellte ein Monitoringprojekt vor, in dem ein interdisziplinäres Team 16 bauteilaktivierte Gebäude, verteilt auf ganz Österreich, vier Jahre auf Basis von Messdaten, Befragungen und Interviews untersucht hatte. „Die Bauteilaktivierung ist eine technisch ausgereifte und vielseitig einsetzbare Lösung zur Nutzung der Gebäudemasse als thermischen Speicher. Sie ermöglicht hohen Raumkomfort bei geringen Betriebskosten und kann sowohl in Neu- als auch in Bestandsbauten angewendet werden“, so Becke. Das Projekt bestätige das große Potenzial der Bauteilaktivierung zur thermischen Energiespeicherung und zur Glättung von Lastspitzen. Dieses Potenzial der Bewirtschaftung der Gebäude als Speicher wird allerdings bislang aufgrund technischer und regulatorischer Hürden noch zu wenig genutzt, so das Resümee.

Die Vorträge und Bilder gibt es auf www.zement.at/kolloquium