Verfahrene Verfahren
Die Wiener Bauverfahren sind existenzgefährdend und verursachen jährlich die Kosten von 400 Wohnungen, so die Wiener zt:Kammer. Sie fordert erneut eine Beschleunigung der Verfahren. Mit Video!
Corona hat die Welt in vielen Belangen verändert. Spontane Dinge sind rar geworden, auch Behörden können vielfach nur mehr mit vorheriger Terminvereinbarung aufgesucht werden. Auch früher übliche Sprechtage bei Ämtern wurden eingestampft. So auch bei den Wiener Baubehörden. Selbst kurzfristige Telefonate seien kaum mehr möglich. Und der neuerdings von Politik und Verwaltung hoch gelobte digitale Bauakt gleiche einer Black-Box, so die Berufsvertretung der Planer. „So kann man eine Stadt nicht verwalten, die Situation ist existenzbedrohend“, sagt Bernhard Sommer, Präsident der Kammer der ZiviltechnikerInnen – ArchitektInnen und IngenieurInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Er vermeidet es prinzipiell auf die Behörden einzuprügeln, der Druck der Mitglieder sei aber sehr groß.
33 Prozent der Verfahren dauern mehr als 1 Jahr
Wie groß der Unmut über enorm lange Bauverfahren inzwischen ist, belegt eine aktuelle Umfrage unter den Mitgliedern. Danach hatten 33 % der Projekte, die derzeit in Wien genehmigt werden, eine Verfahrensdauer von über einem Jahr. Damit hat sich die Situation gegenüber 2023 deutlich verschlechtert. Damals konnten in Wien immerhin noch 33 % der Projekte innerhalb von 6 Monaten abgeschlossen werden. Zum Vergleich: In Niederösterreich konnten 2023 immerhin 78 % der Verfahren innerhalb von 6 Monaten beendet werden, im Burgenland 89 %. Nach konstruktiven Gesprächen mit der Stadt Wien und glaubwürdigen Bemühungen, diese Situation zu verbessern, die zu einem Abebben der Beschwerden geführt haben, nahmen die Beschwerden 2024 wieder zu. In fast allen Bereichen und übrigens auch in allen drei Bundesländern hat sich die Situation verschlechtert. In Wien konnten nur noch 29 % der Projekte innerhalb von 6 Monaten abgeschlossen werden, in Niederösterreich 65 % und im Burgenland 76 %.
Verfahrensdauer kostet 400 Wohungen
Diese zeitlichen Verzögerungen kosten viel Geld, so die Vertreter der Kammer. Dauern Verfahren 6 Monate länger, so hat die Bauwerberin rund 3 Prozent Finanzierungskosten zu tragen. Diese Kosten sind nicht produktiv und gehen für die Wohnraumschaffung verloren. 2023 wurden laut Statistik 15.894 Wohnungen fertig gestellt, womit rund 400 Wohnungen jährlich durch überlange Verfahrensdauern verlorengehen, so eine Berechnung der Kammer. Ein Verlust für die künftigen Nutzer, da diese Kosten letztlich zu Mieten oder den Kaufpreisen aufgeschlagen werden. Für manche Planer sei das Maß voll, sie würden es inzwischen vermeiden Aufträge in Wien anzunehmen. „Um Besserung zu erreichen, braucht es ein breites Verständnis und alle Abteilungen müssen an einem Strang ziehen“, betont Sophie Ronaghi-Bolldorf, Vorsitzende des Bautenausschusses der Kammer. Auf die Frage, ob es Hinweise gäbe, dass Magistratsabteilungen mitunter gegeneinander agieren, antwortet sie „ja, das kann passieren“. „Das passiert vielleicht aber nicht bewusst, sondern resultiert aus strukturellen Problemen und nicht weil jemand seine Arbeit nicht macht“, fügt Sommer hinzu.
Ziel ist Neufassung der Bauordnung
Nachdem Kammer-Jammer nicht so gut ankommt, versuche man Lösungen und Auswege aufzuzeigen. Eine davon wäre, dass unabhängige Ziviltechniker oder Sachverständige Detailprüfungen im Bauverfahren vornehmen könnten, um die Behörden zu entlasten. Die Behörde könnte sich dann auf das große Ganze und stichprobenartige Detailprüfungen konzentrieren, schlägt Sommer vor und fügt hinzu: „Wir fordern aber nicht, dass der hoheitliche Akt abgelöst wird“. Das wäre auch wenig zweckmäßig, denn kaum ein Ziviltechniker würde die Haftung für die vielen in einem Verfahren anhängigen Gewerke und Agenden übernehmen. Nachdem die Bauordnung sehr komplex ist, sollte sich die Politik mittelfristig ein Herz nehmen so Kammer-Chef Sommer: „Im Grunde sollte sich die Politik zu einer Neufassung von Bauordnung und Bebauungsplan durchringen, meint der Interessensvertreter.
Vorschläge der Kammer
Die zt: Kammer hat eine ganze Reihe von Vorschlägen ausgearbeitet, um den Bewilligungsprozess zu beschleunigen. Die Palette reicht von der Unterstützung der Prozesse durch Digitalisierung über Optimierung der Planung und Kommunikation mit den Bauwerbern bis hin zu einem einfachen Zugang zu persönlichen Terminen und Projektbesprechungen als Verfahrensbestandteil. Auch die zeitgerechte Beantwortung von Mails und die Sensibilisierung und verpflichtende Zusammenarbeit der an den Verfahren beteiligten Magistratsabteilungen steht auf der Wunschliste der zt:Kammer. Insgesamt wünscht man sich Verfahrenskoordinierungen im Sinne des „Ermöglichens“ und „Unterstützens“. Dazu beitragen könnte die „Belebung“ des § 70a, der als Entlastung der Behörde gedacht war. Derzeit herrsche hier Rechtsunsicherheit, so die Vertreter:innen Kammer.
Im Video erklären die Vertreter der zt:Kammer die Problemaatik in wenigen Worten. Zum Clip kommen Sie hier


