Familiärer Klima-Export
Die eben zum besten Familienunternehmen des Burgenlandes 2019 gekürte Radel & Hahn Klimatechnik in Mattersburg macht mit ihren Tochterunternehmen in Ungarn und Rumänien bis zu 25 Millionen Euro Jahresumsatz – den Großteil davon außerhalb Österreichs.
Die Freude über die Kür zum besten Familienunternehmen des Burgenlandes ist bei der Radel & Hahn Klimatechnik in der Mattersburger Wiener Straße anhaltend. Das zeigt sich auch beim Besuch von Building Times: Geschäftsführerin Andrea Hahn-Radel wird von ihren Kindern Stefanie Andrea Hahn und Philip Robert Hahn beim Interview flankiert und überlässt den beiden über weite Strecken das Wort. „Ich komme von der kaufmännischen Seite und habe deshalb von der Technik wenig Ahnung“, sagt sie. Dass drei Generationen im Unternehmen aktiv seien, betont sie bei mehreren Gelegenheiten. Und das ist ja tatsächlich nicht alltäglich – es sei denn, die Altvorderen wollen nicht weichen und die Jungen nicht ans Ruder lassen. Das ist bei Radel & Hahn ganz anders, vielleicht auch deshalb, weil Andrea Hahn-Radel nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes Robert Hahn vor fünf Jahren die Rolle des Chefs übernehmen musste. „Damals hat die Familie beschlossen, das Unternehmen in dieser Konstellation weiterzuführen“, schreibt die ehemalige Prokuristin. Ihr schwebt vor, „dass es zwei Geschäftsführer gibt und dass sie das wirklich gemeinsam und partnerschaftlich machen“. Gemeint sind damit natürlich Stefanie und Philip Hahn. Letzterer ist bereits Gewerberechtlicher Geschäftsführer, Tochter Stefanie ist für Marketing & Corporate Communication verantwortlich. Das beschreibt ihre tatsächlichen Rollen nur ziemlich unvollständig, denn wenige Tage nach dem Building Times-Besuch brechen die Geschwister zu einer Fahrt nach Ungarn und Rumänien auf, um bei den dortigen Tochtergesellschaften Synergiepotenziale zu ermitteln und die Positionierung der Firmen zu stärken.
So passt es perfekt ins Bild, dass die Mutter die Ausbildungswege von Stefanie und Philip beschreibt und diese nur Details ergänzen: „Stefanie hat vor dem Eintritt in die Firma den Bachelor in Marketing und Sales und den Master in Unternehmensführung an der FH Wien der Wiener Wirtschaftskammer gemacht, das war eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, und Philip hat seinen Bachelor über Urbane Erneuerbare Technologien an der FH Technikum Wien gemacht und strebt jetzt berufsbegleitend den Master in Gebäudetechnik und Gebäudemanagement an der FH in Pinkafeld an.“
Begonnen als Boutique
Gegründet wurde das MattersburgerFamilienunternehmen im April 1972 „als Geschenkboutique“, wie Hahn-Radel schmunzelnd erzählt. Schon damals gab es auch Wohnraumausstattung und Kleinklimageräte zu kaufen. Dank der steigenden Umsätze haben sich die Klimageräte durchgesetzt, weshalb die Wohnraumausstattung nach einigen Jahren aufgegeben wurde. Seither ist der Bau von Klima- und Lüftungsanlagen alleiniger Firmenzweck. Dafür war das alte Lokal jedoch nur beschränkt geeignet, weshalb Radel & Hahn an den Stadtrand in die Wiener Straße übersiedelt ist, wo sich heute noch der inzwischen erweiterte Firmensitz befindet. „Hier haben wir das Haus um einen Baum herum gebaut, den mein Bruder Ewald Radel künstlerisch gestaltet hat“, erzählt die Chefin. Eine 20kW-PV-Anlage auf dem Dach ist nachgeradezu eine Selbstverständlichkeit, noch dazu, „mit Direkt-Einspeisung zu einem Super-Tarif“.
Pflege der Erneuerbaren Energien
Ewald Radel hat die Ausbildung zum Ökoenergietechniker/Solateur gemacht und betreut bei Radel & Hahn den Bereich Erneuerbare Energien. Alternativ-Energien hört man hier nicht so gerne. Dieser Bereich trägt rund zehn Prozent zum Österreich-Umsatz bei, somit rund 400.000 bis 500.000 Euro pro Jahr. Denn der Gesamt-Jahresumsatz der Firmengruppe Radel & Hahn Holding Ges.m.b.H liegt, je nach Auftragseingang, zwischen 20 Millionen und 25 Millionen Euro. Rund 60 Prozent davon steuert die ungarische Schwesterfirma Radel & Hahn zrt. in Debrecen bei, etwa 20 Prozent die österreichische Radel & Hahn Klimatechnik Ges.m.b.H in Mattersburg und ungefähr genauso viel die rumänische Radel & Hahn srl. in Sag/Timişoara. Randbemerkung zu den Erneuerbaren: „Wärmepumpen haben wir vor 45 Jahren schon gehabt und es gibt sie noch immer“. Hierzulande wird die gesamte Haustechnik angeboten, also Lüftungs- und Klimatechnik sowie Erneuerbare. Gefertigt werden in der Mattersburger Werkstätte aber nur Lüftungskanäle und –komponenten. Die Geräte werden in Debrecen hergestellt. Zusätzlich treten die rumänische und die ungarische Schwestergesellschaft „teilweise auch als Generalunternehmer“ auf.
Produktion in Ungarn
Aus Debrecen kommen auch die Radel & Hahn Roof-Top-Lüftungsgeräte, die hier entwickelt und produziert werden. Sie sind individuell gestaltbar und modular aufgebaut und bis zu einem Volumen von 40.000 m³/h ausgelegt. Sie werden vor allem von der Industrie eingesetzt. Eine Sparte gibt es bei der ungarischen Schwester wie schon bei deren Übernahme 1992 nach wie vor: Die Reinraumtechnik. Einen anderen Spezialbereich gibt es in Mattersburg, den Andrea Hahn-Radel besonders hervorhebt: „Es ist zwar nur ein Nischenprodukt, aber wir pflegen es: Die von uns entwickelte EWP Schwimmbad-Entfeuchtungswärmepumpe, ein Verbundsystem für Private. Dafür haben wir schon 2002 den Burgenländischen Innovationspreis gewonnen“. Bereits 1997 wurden die Mattersburger übrigens zur Führung des Staatswappens ermächtigt.
Aus Großprojekten ausgestiegen
Die Mattersburger haben in der Vergangenheit auch Großaufträge abgewickelt, etwa zusammen mit Ortner am Flughafen Schwechat ein 7-Millionen-Euro-Projekt, „unser bisher größter Auftrag“, sie sind aber aus Großprojekten ausgestiegen, „wegen der Preise. Wir konzentrieren uns auf Aufträge bis ungefähr 300.000 Euro“, stellen die Geschwister unisono fest. Wenn es der Kunde vorschreibe, dann würden auch die Erzeugnisse anderer Hersteller verbaut. „In Ungarn investieren wir derzeit gerade viel in die Infrastruktur, wir haben in Debrecen immerhin 20.000 m². In Mattersburg und Sag/Timişoara (seit 2002) sind es jeweils 5.000 m² Betriebsfläche“, macht Stefanie Hahn die Dimensionen deutlich. Den Erzeugungs-Standorten entsprechend sieht auch die Mitarbeiter-Struktur aus: In Österreich sind es rund 40, in Rumänien ebenso und in Ungarn zwischen 80 und 120, wobei „vor allem in Rumänien viele Leiharbeiter beschäftigt werden“.
Überall Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel sei überall gleich, musste das Radl & Hahn-Management feststellen. In Österreich werden nur Facharbeiter aus der Region beschäftigt. „Seitdem vor zehn Jahren der Lehrabschluss für den Kälteanlagen-Techniker eingeführt wurde, haben unsere Mitarbeiter teilweise zwei facheinschlägige Ausbildungen“, hält Andrea Hahn-Radel fest. Eben habe man drei Lehrlinge aufgenommen, die zu Kälteanlagen- und Lüftungstechnikern ausgebildet werden. Für BIM sei das Grundgerüst bereits da und die Lüftungsplanung werde in 3D gezeichnet. „Das Zusammenspiel aller Gewerke im BIM ist allerdings noch weit entfernt“, stellt Philip Hahn fest. Radel & Hahn beschäftigt eine eigene 3D-Technikerin, eine Absolventin der FH in Pinkafeld und Mutter von drei Kindern. „Dazu haben wir eigene Regelungstechniker und eine eigene App zur Steuerung und Fernwartung. Im Wartungsbereich sind wir sehr stark, bei der laufenden Instandhaltung haben wir die ersten Verträge schon 1997 abgeschlossen“. Alle Firmen sind unter dem Dach der Radel & Hahn Holding Ges.m.b.H zusammengefasst, deren Geschäftsführerin ebenfalls Andrea Hahn-Radel ist. Sie hält auch 20,83 Prozent der Firmenanteile, Stefanie und Philip Hahn halten jeweils 14,83 Prozent, Ewald Radel besitzt 24,00 Prozent, Friedrich Eugen Radel, der Firmengründer, ist mit 13,50 Prozent beteiligt und Paula Radel, die Mutter von Andrea Hahn-Radel, mit 12,00 Prozent. Alles in der Familie also, oder wie Andrea Hahn-Radel zum Ende des Interviews nochmals sichtlich stolz sagt: „Drei Generationen sind im Unternehmen aktiv“.