TGA im Sog der Gerichte
„Alles was Recht ist! Verrechtlichung und Normen – Stolpersteine für die TGA“ – so lautete der Titel einer Podiumsdiskussion, zu der die TGA-Fachgruppe im ÖIAV Ende Oktober geladen hatte. Ein Nachbericht.
Gleich zu Beginn legte Renate Hammer, Chefin des Institute of Building Research & Innovation ZT-GmbH, in ihrer Keynote klar, dass die Verrechtlichung alle Bereiche des Bauens betrifft. Und sie legte gleich nach, dass es vielfach nicht um Gerechtigkeit, sondern um Vergerichtlichung gehe. Das zeige sich auch an den Versicherungsprämien: Die für den Rechtsschutz übertreffen in vielen Fällen jene der Berufshaftpflicht, wie Hammer weiß.
Danach brachten sich Michael Gehbauer, WBV- GPA, Gerald Goger, TU Wien, Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Erich Kern von Kern+Ingenieure ZT GmbH, Manuela Maurer-Kollenz, Müller Partner Rechtsanwälte GmbH, und Christian Steininger von Vasko+Partner Ingenieure als Vorsitzender der Fachgruppe TGA im ÖIAV in die Diskussion ein.
Klarerweise kam man rasch zu den vielen Normen, die im Bauwesen wirken. Von den insgesamt in Österreich vorhandenen 23.500 Normen beziehen sich rund 3.500 auf den Bau und sein Umfeld. Ob es zu viele Normen gebe, lasse sich nicht so einfach sagen, meint Steininger. Faktum sei, dass sich manche Bauherren hinter den Normen verstecken, um das Risiko zu reduzieren, so Steininger. Manche Bauverträge hätten mehr als 2.000 Seiten, weiß wiederum die Juristin Manuela Maurer-Kollenz. Sie betont, dass Normen erst durch Gesetze verbindlich werden. Aber „wenn wir Normen haben, werden sie sehr rasch zu Recht in der Judikatur“, so die Anwältin. Normen seien ein Produkt des Lobbyings, und ihre Kanzlei beschäftige sich im Bau weit mehr mit der Errichtung von Verträgen als mit Streitigkeiten vor Gericht.
„Die Normen gab es immer schon, deutlich gestiegen ist die Klagsbereitschaft“, findet Erich Kern. Oft gehe es nur mehr darum, Dinge zu finden, bei denen die Norm nicht eingehalten wurde, berichtet er aus der Praxis. Er plädiert dafür, den Normen wieder den Charakter zu geben, die sie einst hatten – als Empfehlungen und verbindliche Werkzeuge, aber nicht als Pflichten. Das sei aber nicht der Fall, wendet Maurer-Kollenz ein, selbst der OGH sehe die Normen als Stand der Technik, erklärt sie.
Gerald Goger glaubt nicht, dass die Normen das große Übel sind. Er sieht eher die komplexen Bauverträge, das fehlende gegenseitige Verstehen sowie den Kosten- und Zeitdruck als die Probleme. „Wir als Bauingenieure hören viel zu wenig von der Haustechnik, daraus resultieren viele Probleme“, glaubt Goger. Derzeit laufe in Tirol ein Versuch mit einem Allianzvertrag, der die Problemlösung auf der Baustelle forciert. Das klinge gut, könne aber gehörig schiefgehen, wie Steininger einwendet. Diese Abmachungen könnten nämlich ein Jahr lang eingeklagt werden.
Dass die Kosten für die Rechtsberatung permanent steigen, bestätigt Michael Gehbauer. Besonders in Wohnanlagen mit hohem Eigentumsanteil seien Prozesse fast unausweichlich, weil die Wohnungskäufer Gründe suchen, den Kaufpreis zu reduzieren, so der Bauträger. „Früher musste ein Schaden eintreten, heute genügt eine Normenabweichung“, bestätigt auch der Sachverständige Kern. Das sei in der TGA besonders problematisch, weil die Leistungsverzeichnisse sehr vage seien, wie etwa der Hinweis, dass die Luftwechselrate ausreichend sein muss, wie Kern sagt. „Wir kämpfen dann, wenn tatsächlich ein Schaden eingetreten ist“, verteidigt die Anwältin Maurer-Kollenz ihre Berufskollegen und weist darauf hin, dass der Dokumentation vielfach zu wenig Augenmerk geschenkt werde. „Viel Dokumentation ist in Wahrheit die Vorbereitung auf den kommenden Prozess“, wendet hier Goger ein und fordert mehr Sorgfalt in der Planung und Arbeitsvorbereitung. Und Steininger weiß, dass Normen keine Gesetze sind, aber trotzdem alle Bauherren deren Einhaltung fordern. Gehbauers Lösung: „Wir arbeiten mit TGA-Firmen, die uns kennen und die wir kennen.“ Dass dies der Streitvermeidung gut tut, mag sein, wettbewerbsfördernd klingt es nicht unbedingt. Aber womöglich bleibt einem Bauträger angesichts der steigenden Technisierung in den Gebäuden auch gar keine andere Möglichkeit, durch wohlwollende Koordinationspartner Schaden abzuwenden. Den begutachten im Normalfall Sachverständige, die an diesem Abend auch nicht ungeschoren davonkommen. Sie würden mitunter fragwürdige Gutachten erstellen, sagt dazu Kern, der selbst als Gutachter tätig ist. Er plädiert auch dafür, die Normung nicht nur Industrievertretern zu überlassen, da sie für die Mitarbeit in den Gremien bezahlt werden und ihr Wirken von Interessen geleitet sei.