Massive Vorzeigeprojekte

In Korneuburg steht mit der Rotkreuz-Bezirksstelle ein Paradebeispiel für Bauteilaktivierung. Und auch drei Bauten im Nordbahnviertel zeigen, dass Beton und Nachhaltigkeit keinen Gegensatz darstellen.

Mit dem Neubau der Rotkreuz-Bezirksstelle Korneuburg entstand ein Vorzeigeprojekt in puncto Nachhaltigkeit, das zugleich alle Abläufe für die Einsätze der „Lebensretter“ optimiert. Die Bezirksstelle organisiert und leistet den Rettungsdienst und Krankentransport in 20 Gemeinden im Bezirk Korneuburg. Zudem werden regionale – wie Gesundheits- und Soziale Dienste, „Zuhause Essen“ – und überregionale Dienstleistungen wie Schulungen, Katastrophenschutz oder Veranstaltungen angeboten.

Das nicht unterkellerte, dreigeschoßige Verwaltungsgebäude wie auch die Fahrzeughalle sind in Massivbauweise nach Plänen von Hoffmann-Janz ZT errichtet. Die Bruttogeschoßfläche des Neubaus umfasst 3.470 m² Verwaltungsgebäude, eine RKT-Halle mit gut 500 m², eine Waschhalle mit 150 m², eine 500 m² große Einstellhalle und sonstige Hallen und Lagerhallen mit 360 m².

Die komplexe Gebäudetechnik inklusive Konzeption der Bauteilaktivierung erledigte Harald Kuster mit seiner FIN – Kuster Energielösungen GmbH. Die Speicherfähigkeit von Beton wird in Kombination mit erneuerbaren Energien klug zum Heizen und Kühlen genützt – das Grundwasser und die Sonne leisten ihren Beitrag in Richtung Energieautarkie. Seit rund drei Jahren ist das Gebäude in Betrieb – die offene Fehlerkultur forcierte die Optimierungen und liefert eine Menge wertvoller Erkenntnisse.

Insgesamt 300 Fühler liefern dafür alle drei Minuten Daten aus dem System. Das Fazit: Der Einsatz der Bauteilaktivierung ist auch bei komplexen Projekten mit durchaus sehr unterschiedlichen Anforderungen an die HKLS-Anlage Anlage (Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasserbereitstellung) möglich und erfolgversprechend. Zur Hebung des Potenzials der Anlage und zur Einführung in den Betrieb derselben ist während der ersten zwei Jahre eine qualifizierte Betriebsbegleitung sinnvoll. Die Kosten dieser Begleitung rechnen sich durch die erzielbaren Einsparungen.

Ein Euro Energiekosten pro Quadratmeter
Felix Friembichler, ehemaliger Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie, fungierte beim Projekt von der ersten Sekunde an als Bauherrenbegleiter. Christoph Stadtschmitzer, Bezirksstellen-Geschäftsführer des Roten Kreuzes, war sich mit Friembichler einig: Es sollte ein besonders nachhaltiges Gebäude werden. Der Bau verlief reibungslos, eine Herausforderung war die Optimierung der Haustechnik im Rahmen des begleitenden Monitorings: „2020 lagen die Stromkosten für HKLS für ein halbes Betriebsjahr bei rund 6.000 Euro – das gesamte Jahr 2024 schließen wir mit 3.569 Euro ab“, sagt Friembichler.

Die Kosten werden für die gesamte HKLS-Anlage erfasst, berücksichtigt wird dabei auch, dass im Sommer mehr PV-Strom gewonnen wird als für den Bedarf der HKLS-Anlage erforderlich. Dieser wird durch den sonstigen Betrieb (EDV, Beleuchtung, Beheizung der Fahrzeuge etc.) der Gebäude zur Gänze verbraucht. „Der saisonal anfallende Überhang von PV-Strom wird der HKLS-Anlage gutgeschrieben – der fiktive Preis bei dieser Gegenverrechnung ist mit 20 Cent/kWh angesetzt“, so Friembichler. Umgelegt auf einen Quadratmeter Nutzfläche ergeben sich Energiekosten von einem Euro pro Jahr. Die Bezirksstelle ist immer einsatzbereit – und wenn es sein muss, vollkommen energieautark.

Beteiligte Planer und Ausführende: Mit Architektur, Generalplanung und ÖBA wurde die Hoffmann-Janz ZT GmbH betraut, die Haustechnikplanung stammt von FIN – Kuster Energielösungen GmbH, die Tragwerksplanung von der Helmut Wiklicky ZT GmbH, die Bauphysik steuerte IB Zauner bei, die Elektroplaner die FG-Consult, die Gebäude- und Regeltechnik erbrachte GRT, als Teil-GU fungierte Leyrer+Graf, die Haustechnik erledigte die Pöttinger Installations GmbH.

Flächensparend und energieeffizient
Drei weitere Projekte, die Beton und Nachhaltigkeit kombinieren, sind die Wohnbauten Schneewittchen und Loftflügel sowie Nordbahnhof III im Wiener Nordbahnviertel. Mit 295 Wohneinheiten auf 29 Geschoßen und einer Bruttogeschoßfläche von 34.000 Quadratmetern ist das Hochhaus Schneewittchen das höchste Mietwohngebäude Wiens. Es steht exemplarisch für flächensparendes Bauen mit Beton. „Bodenschutz ist ein zentrales Anliegen der österreichischen Zement- und Betonbranche. Beton eignet sich als stabiler, robuster und langlebiger Baustoff hervorragend für platzsparenden, mehrgeschoßigen Wohnbau sowie für multifunktionale Gebäude mit ober- und unterirdischen Ebenen. Auch im laufenden Betrieb solcher Gebäude spielt Beton eine Schlüsselrolle, etwa durch thermische Bauteilaktivierung“, erklärt Christoph Ressler, Vorstandsmitglied von Beton Dialog Österreich und Geschäftsführer des Güteverbands Transportbeton.
Im Hochhaus Schneewittchen und im benachbarten Loftflügel mit zusätzlichen 32 Wohneinheiten sind die Betondecken in den Wohnungen thermisch aktiviert. Die Wärme- und Kälteversorgung erfolgt über die Fernwärme bzw. Fernkälte Wien. „Die Aufenthaltsräume sowie das Bad sind mit thermischer Bauteilaktivierung ausgestattet, die entsprechende Regelung erfolgt über ein Thermostat. Die Gemeinschaftsräume werden über Fußbodenheizung beheizt, darüber hinaus verfügt das Haus über eine eigene PV-Anlage“, sagt Thomas Fischl, technischer Leiter der EGW, Erste gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH, die als Bauherrenvertretung für die Generalplanung und Baubetreuung verantwortlich war und die Wohnanlage verwaltet.

Heizen und Kühlen in einem System
„Die Vorteile der thermischen Bauteilaktivierung liegen auf der Hand: Sie vereint das Heizen und Kühlen in einem System und kommt mit einer niedrigen Vorlauftemperatur zum Heizen der Wohnungen aus – in unserem Fall beträgt diese 38 Grad Celsius. Der gesamte Heizenergiebedarf der Wohnanlage liegt bei rund 1.360 MWh/a“, so Konrad Stabel, Projektleiter des Bauvorhabens Schneewittchen und Loftflügel bei der EGW. Die Leitungen der Bauteilaktivierung im Loftflügel wurden so angelegt, dass eine flexible Raumnutzung möglich ist“, erklärt Peter Korec, Projektleiter der Arge Schneewittchen (Swietelsky AG und Östu-Stettin Hoch- und Tiefbau GmbH).

Beim Bau wurden rund 28.700 Kubikmeter Beton verbaut. Neben der thermischen Bauteilaktivierung stellte die Gebäudehöhe von 100 Metern eine besondere Herausforderung dar.

Nordbahnhof III: klimaresiliente Freiräume
In der Wohnanlage Nordbahnhof III wurde das städtebauliche Konzept „Freiraum auf Wohnungsebene“ umgesetzt. „Die Idee verbindet Gebäude und Landschaft durch eine Abfolge urbaner Terrassen. Diese Freiraumlandschaft wächst nach oben und bildet einen hybriden Stadtsockel mit begrünten Ebenen, in dem Wohnen, Gewerbe und soziale Infrastruktur auf innovative Weise miteinander verschmelzen. So entsteht ein Gesamtkonzept aus naturnaher Begrünung, nachhaltiger Landschaftsarchitektur und durchdachter Fassadenbegrünung“, erklärt Dominik Scheuch, Geschäftsführer von Yewo Landscapes, dem Wiener Landschaftsarchitekturbüro, das diese beiden Außenräume im Nordbahnviertel plante.

Die Wohnanlage Nordbahnhof III samt ihrem Freiraumkonzept wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Greenpass-Zertifikat in Gold. Auch hier spielt der Baustoff Beton eine zentrale Rolle. „Helle Betonpflastersteine in Kombination mit versickerungsfähigen Flächen wirken nach dem Schwammstadt-Prinzip: Sie regulieren das Regenwassermanagement und helfen, Flächen zu entsiegeln“, sagt Christoph Ressler. Zusammen mit 41 neu gepflanzten Bäumen sorgt dieses Konzept dafür, dass sich die gefühlte Außentemperatur an Hitzetagen in der Wohnanlage, im Vergleich zu vollversiegelten Flächen, um bis zu 14 Grad reduzieren kann.