Mann mit Expansionslust

Austrotherm-Chef Heimo Pascher nutzt die sich aus der Krise ergebenden Chancen, allein heuer kamen vier Werke zur Gruppe dazu. Die Dämmstoffpreise sind niedrig, der Markt erfährt eine weitere Konsolidierung.

Krisen bringen immer auch Chancen mit sich, sagt Heimo Pascher, Geschäftsführer der Austrotherm-Gruppe. Er ist seit gut einem Jahr Managing Director des zur Schmid Industrieholding gehörenden Unternehmens. Als solcher ist er trotz erheblicher Marktrückgänge stetig dabei, Chancen zu nutzen. In den letzten zwölf Monaten sind beim Dämmstofferzeuger vier Werke hinzugekommen, zuletzt in der Türkei und Griechenland. „Wir hüpfen nicht nach China oder in die USA, sondern schauen, dass wir Standorte in den Nachbarländern der schon bestehenden Produktionen hinzubekommen“, erklärt Pascher. Damit können Märkte auch grenzüberschreitend bedient werden. In Kroatien hat Austrotherm aber selbst neu gebaut, nachdem sich der Markt mit Handelsware zuvor entsprechend entwickelt hatte. „Die Entscheidung für Kroatien fiel vor zwei Jahren, in der jetzigen Phase würde man eher kein Werk neu bauen“, so der Manager. Aber der Markt sei mengentechnisch sehr gut unterwegs und man bereue das Engagement nicht. Im Inland hat sich Austrotherm die EPS-Produktion der in die Insolvenz geratenen Firma Brucha gesichert. Eine Chance, die die Versorgung mit Styropor im Großraum Wien logistisch erleichtert, wie Pascher erklärt und hinzufügt: „Es gibt keinen Deal, bei dem man sagen kann, das ist eine sichere Nummer. Es braucht Mut und Risikobereitschaft“, so der 36-jährige Vater zweier Töchter. Rückendeckung für die Expansion hat er von Robert Schmid, dem Chef der Industrieholding.

Nach den jüngsten Übernahmen verfügt die Austrotherm Gruppe über 29 Produktionsstandorte für Dämmstoffe in 13 Ländern. Begonnen hat die Expansion bereits 1991 mit dem Start einer eigenen Produktion in Ungarn. Neben der Zentrale in Wopfing und den Werken in Michelhausen, Pinkafeld und Purbach ist der Dämmstoffhersteller mit Produktionen in Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Deutschland, Kroatien, Polen, Rumänien, Serbien, Slowakei, Tschechien, der Türkei und Griechenland vertreten. Hierzulande beschäftigt Austrotherm rund 350 Mitarbeiter:innen, insgesamt sind es 1.400 Beschäftigte.
Die Branche sei im Umbruch, die Großen werden größer und die Konsolidierung werde sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen, ist Pascher überzeugt. Für Kleinunternehmen mit nur einem Produkt werde es schwieriger zu bestehen, weil auch die Einkaufskonditionen andere sind als für Großunternehmen.

Schneller Aufstieg
Pascher selbst hat bei Austrotherm einen schnellen Aufstieg hingelegt. Anfang 2020 wurde er im Alter von 31 zum Technischen Geschäftsführer der österreichischen Austrotherm GmbH bestellt. Zuvor war er Abteilungsleiter Intralogistik & Materialwirtschaft bei der Fraunhofer Austria Research GmbH. Er forschte sehr früh nach dem Studium, wie man Fabriken plant und optimiert, digitalisiert und automatisiert. Zugleich war er im Consulting tätig, wobei er diverse Branchen und Unternehmen kennengelernt hat.
Bereits nach zwei Jahren bei Austrotherm stieg er zum Technikchef für die gesamte Gruppe auf und im Herbst 2023 wurde ihm nach dem Abgang von Klaus Haberfellner die alleinige Geschäftsführung übertragen. Er verantwortet somit einen Umsatz von mehr als 430 Millionen Euro. Jedes der 12 Länder, in denen Austrotherm neben Österreich agiert, hat eine eigene Geschäftsführung. Für Mikromanagement in den einzelnen Gesellschaften bleibt Pascher keine Zeit, dafür habe er ein starkes Team. Damit hält sich auch die Reisetätigkeit in Grenzen, wie er sagt. Im Schnitt sei er jede zweite Woche rund zwei Tage in Europa unterwegs. Damit bleibe auch noch Zeit für die Familie, das Fußballspielen, das Laufen und das Skifahren.

Interview: Heimo Pascher

Building Times: Herr Pascher, es finden gerade Koalitionsverhandlungen statt. Was wäre Ihr dringlichster Wunsch an die Politik?

Heimo Pascher: Es wird derzeit viel über Sparpakete gesprochen. Wir als Bauwirtschaft stecken jetzt seit zwei Jahren in der Krise und brauchen auf jeden Fall ein Wachstumspaket. Wir brauchen Maßnahmen, die den Bau wieder ankurbeln. Die Zahl der Baugenehmigungen und jene der Baubeginne zeigen ganz klar, dass wir im Vergleich zum Jahr 2021 einen Rückgang von rund 40 Prozent haben. Das ist ein dramatischer Einbruch und wir steuern damit auf einen Engpass bei leistbarem Wohnraum zu. Deshalb ist es wichtig, trotz aller Spargedanken hier gegenzusteuern.

BT: Der Wohnbau schwächelt besonders in Österreich und Deutschland. Ihr Unternehmen ist in 13 Ländern vertreten. Wie schwer wiegen die Einbußen der beiden Länder?

Pascher: Die Situation ist in den meisten europäischen Ländern schlecht. Besonders betroffen sind Deutschland, Österreich und auch die Nachbarländer Slowakei, Tschechien sowie Ungarn. Hier gibt es ebenfalls deutliche Rückgänge.

BT: Aber es gibt auch Ausnahmen, oder?

Pascher: Ja, es gibt Länder, die besser durch die Krise kommen, dazu zählt etwa Polen. Hier sieht man sehr konkret die Auswirkungen von politischen Maßnahmen. Dort gab es ein Paket für junge Familien, das ihnen billiges Geld zur Verfügung stellt. Das hat sofort zu mehr Bautätigkeit geführt. Daran sieht man, dass zielgerichtete Programme wirken. Mit der Gießkanne, wie dem Klimabonus, bewegt man dagegen nichts.

BT: Die Austrotherm Gruppe erzielte im Geschäftsjahr 2023 einen Umsatz von rund 436 Millionen Euro. Wird 2024 besser?

Pascher: Nein, das laufende Jahr wird schlechter als das Vorjahr. Wir haben einen weiteren Rückgang an abgesetzter Menge. Beim Umsatz werden wir aufgrund des gestiegenen Exports in etwa dort landen, wo wir 2023 lagen. 2024 ist seit der Finanzkrise das schlechteste Jahr überhaupt. Das spürt auch die restliche Industrie und das führt auch dazu, dass Mitarbeiter:innen entlassen werden.

BT: Haben Sie auch Personal abgebaut?

Pascher: Wir verfolgen keine Hire-and-Fire-Politik. Rein ergebnisorientiert müssten wir in jedem der vier Standorte in Österreich Personal abbauen. Die Philosophie des Eigentümers ist aber eine andere. Wir haben bei Austrotherm keine einzige betriebsbedingte Kündigung vorgenommen.

BT: Wie hoch ist der heimische Anteil am Gesamtumsatz?

Pascher: Der Umsatz in Österreich beträgt rund ein Viertel, wobei da natürlich auch der Export in unsere Nachbarländer inkludiert ist.

BT: Sie verfrachten ja viel Luft. Bis zu welchen Distanzen rentiert sich der Export?

Pascher: Bei EPS liegt die Grenze bei etwa 250 Kilometer ab Werk, bei XPS liegt sie mit bis zu 700 Kilometern deutlich höher. Mit unserem XPS-Werk in Purbach liegen wir geografisch sehr günstig, weil von dort auch die Slowakei, Tschechien, Ungarn und Italien sowie Süddeutschland bedient werden.

BT: Wenn man in heimische Baumärkte schaut, hat man das Gefühl, dass hier fast nur Import-Styropor verkauft wird. Kann das sein?

Pascher: Nein, das stimmt so sicherlich nicht. In Österreich gibt es 9 EPS Werke und das meiste wird auch im Inland produziert. Deswegen ist bei einem Sanierungsprojekt die lokale Wertschöpfung sehr hoch.

BT: Wie hoch ist der Marktanteil bei XPS-Platten?

Pascher: Wir sind der einzige österreichische Hersteller. Wenn Sie eine rosa Platte sehen, ist die ziemlich sicher von uns. Genaue Marktanteile nennen wir keine.

BT: Und bei EPS?

Pascher: Bei EPS gibt es neun Werke in Österreich, es wird also viel Dämmstoff in Österreich hergestellt, auch wenn die Marken im Baumarkt vielleicht nicht darauf hindeuten. Insgesamt ist die heimische Wertschöpfung bei EPS sehr hoch. Das wird hier produziert, von heimischen Frächtern auf die Baustellen gebracht und von örtlichen Bau- und Fassadenfirmen verarbeitet. Das bedeutet auch, dass die Förderung der thermischen Sanierung eine hohe Wertschöpfung im Inland bringt. Der Import beträgt vielleicht zehn Prozent. Bei Mineralwolle sieht das anders aus.

BT: Es gibt eine großzügige Sanierungsförderung. Bringt die keine spürbaren Impulse?

Pascher: Bislang nicht, die Sanierungsquote liegt weiterhin bei rund 1 Prozent und nicht beim Soll von 3 Prozent.

BT: Warum bewegt sich da nichts?

Pascher: Ein Grund sind bei großen Wohnhausanlagen sicher die Eigentumsverhältnisse und die damit verbundenen Entscheidungswege. Auch wenn eine Eigentümergemeinschaft sich zur Sanierung bekennt, dauert es lange, bis Konzepte und Varianten für das Vorhaben erstellt werden. Wenn dann ein Beschluss fällt, werden Angebote eingeholt, über die dann entschieden wird. Das dauert schnell einmal ein Jahr und mehr.

BT: Das heißt, es besteht Hoffnung, dass künftig mehr großvolumig saniert wird?

Pascher: Wir gehen davon aus, dass im nächsten Jahr die Nachfrage aus diesem Bereich steigt.

BT: Wie sieht es bei den Sanierungen von Einfamilienhäusern aus?

Pascher: Die Privaten sind schneller, hier kommt aber etwas anderes zum Tragen. Bei einer umfassenden Sanierung mit Fenster, Dach und Fassade kommt man durchaus auf einen Betrag von 100.000 Euro. Auch wenn die Förderung attraktiv ist, bleibt aber immer noch ein Betrag übrig, den sich jemand leisten können muss. Und wenn dann kein Kredit möglich ist, bleibt das Vorhaben ein Vorhaben. Der zweite Grund sind die Förderungen für den Heizungstausch und für PV-Anlagen. Wenn man die Wahl zwischen drei Maßnahmen hat, wird man die einfachste und am schnellsten realisierbare wählen. Bei PV-Anlagen gibt es keinen Förderdschungel, da wird einfach die Mehrwertsteuer abgezogen. Beim Heizungstausch ist die Förderung sehr hoch. Und deshalb wird diese Maßnahme entgegen der Logik eher realisiert als eine thermische Sanierung.

BT: Sie meinen, es wäre schlauer zuerst die Gebäudehülle zu sanieren und dann die Heizung zu tauschen?

Pascher: Ja, natürlich, da sind sich alle Experten einig. Wenn die Hülle nach der Heizung saniert wird, bleibt am Ende ein Gebäude mit einem überdimensionierten Heizsystem übrig. Das ist ineffizient.

BT: Haben die Heizer die bessere Lobby?

Pascher: Diese Frage kommt oft. Ich weiß nicht, ob es an der Lobby liegt oder ob die Politik einfach schnelle Erfolge verkaufen wollte. Mit dem Heizungstausch erreicht man schnelle Ergebnisse auf dem Papier. Logisch ist das nicht, denn viele Studien zeigen, dass die Dämmung zur Reduktion des CO2-Ausstoßes eine der besten Maßnahmen ist. Generell ist es so, dass im Bereich der Dämmung viele Mythen verbreiten werden, leider halt nicht faktenbasiert.

BT: Die EPS-Produktion von Brucha gehört seit kurzem auch zu Austrotherm. Ist das ein Beitrag zur Marktbereinigung?
Pascher: Die Krise ist immer auch eine Chance. Die Produktion von Brucha stand nicht in unserem 5-Jahresplan. Als klar wurde, dass dort ein Sanierungsbedarf besteht, haben wir das Gespräch gesucht und wir sind sehr schnell übereingekommen, dass wir zusammenkommen.

BT: Was steht als nächstes an?

Pascher: Wir arbeiten an weiteren Wachstumsprojekten. Aktuell ist es so, dass uns jeden Monat ein Angebot gemacht wird. Derzeit stehen viele Produktionswerke in Europa zum Verkauf. Um jetzt etwas zu kaufen, braucht es aber auch Mut und Zuversicht.

BT: Ihre Produkte brauchen Rohstoffe, also Granulate und Energie. Haben sich da die Preise wieder normalisiert?

Pascher: Der Rohstoff ist deutlich gefallen, die Preise für Dämmstoff sind derzeit extrem niedrig und liegt teilweise sogar auf dem Niveau von 2014. Die Energiepreise sind auch wieder zurückgegangen, steigen aber für nächstes Jahr wieder. Die Personalkosten sind sehr stark gestiegen, das ist natürlich ein Problem.

BT: Die Personalkosten sind bei Ihnen aber nicht so entscheidend, oder?

Pascher: Bei ein paar Prozent Marge entscheiden auch ein paar Prozente höhere Kosten, ob man erfolgreich ist oder nicht. Die Lohnkosten in angrenzenden Ländern weichen immens ab von jenen in Österreich.

BT: Das Streben nach Kreislaufwirtschaft ist inzwischen auch in der Bauwirtschaft unüberhörbar. Haben Sie als Vertreter eines Dämmstoffherstellers damit ein Problem?

Pascher: Ganz im Gegenteil, die Kreislaufwirtschaft ist für uns ein Game-Changer. EPS ist Kunststoff und hat ein schlechtes Image. Das war bei Papier auch so und hat sich mit dem Altpapier völlig gewandelt. Styropor hat hier eine Chance, weil es nur aus zwei Prozent Polystyrol und 98 Prozent Luft besteht. Das Material eignet sich hervorragend für Recycling.

BT: Trotzdem blieb dieser Aspekt lange unbeachtet?

Pascher: Ja, weil es ein Aufwand ist, das Material zu sammeln und aufzubereiten. Wenn neues Material so billig ist, dass dieser Aufwand sich nicht lohnt, ist es nicht wirtschaftlich. Mit der Hinwendung zu Nachhaltigkeit hat sich der Blickwinkel geändert. Wir haben da genau gerechnet und festgestellt, dass eine Tonne rückgeholtes und aufbereitetes Material 80% weniger CO2 hat als neues Material. Das heißt von den 80%, die das Rohmaterial vom Gesamtabdruck ausmacht, kann man 80% einsparen.

BT: Aber das Sammeln und Aufbereiten kostet dennoch Geld?

Pascher: Ja, das Recycling ist ökonomisch teurer, aber CO2-technisch lohnt es sich. Und wenn wir eine CO2-Reduktion wollen, brauchen wir die Kreislaufwirtschaft. Wir haben vor zweieinhalb Jahren mit XPS gestartet und nehmen alle Reste von der Baustelle kostenlos zurück. Das sind etwa 3 Prozent der angelieferten Menge in Form von Verschnitt.

BT: Und das wird auch angenommen?

Pascher: Ja, die Mengen sind von Jahr zu Jahr gestiegen.

BT: Und später haben sie dann mit EPS begonnen?

Pascher: Ja, wir haben das als Branche gemeinsam im September gestartet. Wir holen nun EPS-Verschnitt von allen Baustellen in Österreich kostenlos ab. Sie werden dann in eines der Werke der teilnehmenden Hersteller transportiert.

BT: Wie geht das konkret?

Pascher: Ganz einfach, der Kunde sammelt und kann die Abholung über eine Web-Applikation beauftragen. Der am nächsten gelegene Hersteller holt das Material dann ab. Mit dieser Lösung gibt es eigentlich keinen Abfall mehr auf der Baustelle.

BT: Bei manchen Architekt:innen gibt es eine Abneigung gegen Styropor. Verstehen Sie das?

Pascher: Die Abneigung begründet sich, so meine ich, einerseits in gewissen Mythen, die aus der Vergangenheit stammen. In puncto Nachhaltigkeit belegen namhafte Studien, dass EPS ein sehr nachhaltiger Dämmstoff ist.

BT: Hat Austrotherm Ideen zu nachwachsenden Rohstoffen?

Pascher: Wir beschäftigen uns in der Forschung mit nachwachsenden Rohstoffen. Faktum ist, es gibt derzeit keinen Fassadendämmstoff aus nachwachsenden Rohstoffen, der die Wärmeleitfähigkeit von EPS zu vertretbaren Kosten erfüllt oder übertrifft.

BT: Wienerberger hat gerade das erste Ziegelwerk eröffnet, das ohne fossile Brennstoffe läuft. Ist so etwas auch in der Dämmstoffindustrie denkbar?

Pascher: Generell ist es unsere Zielsetzung, den Energieverbrauch zu reduzieren. Im XPS-Werk Wittenberg haben wir dazu eine sechs Fußballfelder große PV-Anlage installiert. Damit decken wir rund 20 Prozent des Strombedarf des Werkes mit Erneuerbaren. In unseren EPS-Werken benötigen wir vorwiegend Dampf, der sich auch mit Biomasse erzeugen lässt. Dazu arbeiten wir gerade an einem Projekt, um Erdgas zu ersetzen.

BT: Sie sind heuer auf der BAU in München.

Pascher: Ja, in Abstimmung mit unseren deutschen Kollegen werden wir dort sein.