Lokal & regional
Die Südtiroler Architekten-Brüder Armin und Alexander Pedevilla bauen mit lokalen Materialien und Handwerkern. Ihre elfköpfige Mannschaft besteht ausschließlich aus Architekt:innen, von denen jede:r alles macht.
Armin Pedevilla war kürzlich Vortragsgast in Graz, wo er, so wie auch sein Bruder, einst studiert hat. Eingeladen hatte der Verein „architektur in progress“, der sich als „Plattform für junge, innovative und zukunftsfähige Architektur“ versteht. Gastgeber war Mark Jenewein vom Grazer Architekturbüro „Love architecture + urbanism ZT GmbH“ mit seinem Büro im ehemaligen Gasthaus Wilder Mann in Graz.
Beide gründeten unabhängig voneinander nach dem Studium ein eigenes Büro in Österreich. 2005 folgten die Brüder ihrem Verlangen nach alpinem Bauen und kehrten in ihre Heimat Südtirol zurück, wo sie gemeinsam in Bruneck das Büro pedevilla architekten gründeten. Passend zum Stichwort „Der alpine Raum“, lieferte Armin Pedevilla einen Anforderungskatalog: „Nutzer-Anforderungen, Raumbezüge, Meereshöhe – in 200 m Seehöhe baut man anders als in 2.000 m – Topographie, klimatische Einflüsse, energetische Überlegungen, wirtschaftliche Überlegungen, architektonisches Gesamtbild und zum Thema Nachhaltigkeit heißt das materialgerechtes Bauen“.
Dementsprechend ist auch das eigene Profil des Büros definiert: „Für Pedevilla Architekten bedeutet das Bauen einen bewussten Umgang mit sozialen, kulturellen, ökonomischen und ökologischen Komponenten des alltäglichen Lebens. Dabei spielt die Einbindung des Gebäudes in vorhandene örtliche Strukturen genauso eine Rolle, wie das Eingehen auf die jeweiligen Temperatur- und Klimaeinflüsse. Das Thema der Konsistenz ist ein wichtiger Faktor bei planerischen Entscheidungen“.
„Wir bauen mit lokalen Materialien“
Das mündet in dem Credo: „Wir bauen mit lokalen Materialien, mit lokalen Handwerkern und den Charakteren der Menschen, die hier leben. Uns geht es dabei um die Kreisläufe der verwendeten Materialien, deren Haltbarkeit und Lebensdauer, aber auch um überlieferte Methoden der traditionellen Handwerkskunst, um verloren geglaubtes Wissen, vor allem aber darum, dass Materialien leben. Es sei keine intellektuelle, sondern eine emotionale Angelegenheit: „Wir wollen unseren Projekten die Möglichkeit geben, in Würde zu altern“.
Jede:r macht alles
Eine der Besonderheiten der Pedevilla Architekten besteht darin, dass die elfköpfige Mannschaft ausschließlich aus Architekt:innen besteht, die aus Italien und Deutschland kommen und ein Geschlechter-Verhältnis „von ziemlich genau 50:50“ aufweisen. Es gibt kein Sekretariat, sondern jeder macht alles. „Das ist auch eine Eigenheit von uns und so behält man auch einen guten Überblick“, erklärt Armin Pedevilla im Gespräch mit Building Times. Das Büro liegt im Zentrum der Stadt Bruneck in einem Ansitz aus dem 15. Jahrhundert.
Die vielfach ausgezeichneten, stark publizierten und gut beschäftigten Pedevillas haben eine ganze Reihe von Planungen im Laufen, wobei immer wieder deutlich wird, wie sie ihren Lokalbezug verstehen: „Beim Bildungszentrum in Kössen an der bayerischen Grenze, das wir nach einem Wettbewerb gewonnen haben, haben wir für die Eingangstüren Elemente aus der örtlichen Umgebung übernommen und modifiziert“, erklärt Armin Pedevilla. Der Architekt nimmt also das Muster auf, modifiziert es, schafft Neues daraus, doch gleichwohl Vertrautes. Das Projekt habe ein Volumen von 20.500 Kubikmetern und koste rund 19 Millionen Euro, so Armin Pedevilla gegenüber Building Times. Gleiches, nämlich Neues und gleichwohl Vertrautes, trifft laut Architekt auch auf den gelegentlich verwendeten Lehmputz zu: „Wir haben nicht gewusst, welche Farbe er auf der Baustelle haben wird, weil er ja ein Abfallprodukt ist“.
Ebenfalls gerade im Laufen ist die Planung für das Sozial- und Gesundheitszentrum „Vivavinz“ in Inzing (Bezirk Innsbruck-Land), ebenfalls ein Wettbewerbs-Gewinn einer EU-weiten Ausschreibung. Darin war gefordert worden, neben 34 Wohneinheiten für pflegebedürftige Menschen auch eine Einrichtung zur Tagespflege, den Sitz der mobilen Betreuungsdienste, zwei ärztliche Ordinationen sowie eine Physiotherapie-Praxis umzusetzen. Der Bau soll 16.300 Kubikmeter Volumen haben und 15,6 Millionen Euro kosten. „Pause“ herrscht derzeit laut Pedevilla bei einem denkmalgeschützten alten Ansitz im Osttiroler Matrei, aber nicht, wie zu erwarten wäre, wegen der Baukrise, sondern weil es sich „um einen Privatbetrieb handelt, in dem es familiäre Überlegungen gibt“.
„Lärche vermittelt Geborgenheit“
Keine Pause hingegen gibt es bei einem „kleinen Zubau“ zum Hotel Bühelwirt in St. Jakob im Ahrntal (Südtirol), einem Schwimmbad samt Ruhebereich. Und auch hier wird wieder betont: „Charakteristische Elemente der lokalen Bautypologie wurden sprachlich übersetzt und interpretiert. Das Lärchenholz aus den umliegenden Wäldern vermittelt in den Innenräumen und der Möblierung Geborgenheit. Der Grünschimmer im Verputz spiegelt durch die verwendeten Zuschläge aus dem Bergwerk die Farbgebung der Bergwelt wider und macht die Innenräume zu vertrauten Orten. Um an die regionale Wertschöpfung anzulehnen, sind die individuell gefertigten Lampen aus einer Kupferfassung erstellt. Insgesamt entsteht durch die besondere Auswahl der regional produzierten Materialien eine wohnliche, beruhigende und vertraute Atmosphäre“.
Weitere Projekte sind teilweise bereits in Bau, etwa die Musikschule in Lana mit einem Volumen von 3,1 Millionen Euro und eine Turnhalle samt Mensa in Neumarkt um 7,2 Millionen Euro, beide in Südtirol. Spannend verspricht auch ein „touristisches Projekt mit Appartements und Bauernhof“, zu werden, „auf dem Gäste auch selber ernten und die Ausbeute verarbeiten können“.
„Planen mit lokalen Materialien, Formen und Ornamenten, die ein sehr breites Publikum ansprechen“, betont Architekt Armin Pedevilla im Gespräch mit Building Times. „In Funktion denken ist Handwerk“. Da wird dann schon mal Messing zum benutzten Material, hergeleitet von den örtlichen Blasinstrumenten. Wenn Pedevilla, Vater von vier Kindern, nicht in Architektur denkt, dann widmet er sich dem Sport: „Wandern, Skilauf, Langlauf und Rodeln“.