Herr der Vielfalt

Thomas Angerer hat das Portfolio der Facility Management-Firma immOH! innerhalb von fünf Jahren deutlich diversifiziert und ausgebaut. Personell hat sich der Dienstleister fast verdreifacht.

Den Turm der Wiener Müllverbrennungsanlage Spittelau im Hundertwasser-Look kennt man. Gleich daneben ist ein eher unscheinbares Bürogebäude, in dem unter anderem das Kundencenter der Wien Energie untergebracht ist. Im dritten Stock des Hauses hat Thomas Angerer sein Büro. Er ist seit gut fünf Jahren Geschäftsführer der immOH!, ein Teilunternehmen der Wiener Stadtwerke und eine der größten Servicedienstleisterinnen für Immobilienbetreuung in Österreich. Das war nicht immer so, denn immOH! hat fünf anspruchsvolle Jahre hinter sich, wie Angerer sagt. Das Unternehmen ist gewaltig gewachsen, 2020 zählte die aus zwei GmbHs bestehende Gruppe etwa 360 Mitarbeiter:innen, heute sind es rund 950. Hervorgegangen ist die immOH! aus der 1978 gegründeten Facilitycomfort. Dieser Firmenname war dem Absolventen der Montanuni Leoben (Industrieller Umweltschutz) zu eng, weshalb das Branding ganz wichtig für die Entwicklung der Gruppe war, wie er sagt. Sowohl der Auftritt bei Kunden als auch das Verständnis innerhalb der Belegschaft habe sich grundlegend geändert. „Wir haben uns 2020 fokussiert und unsere Geschäftsfelder definiert und ausgeweitet. Und wir sind auch professioneller geworden, wenn spontan Dinge an uns herangetragen werden, dass wir diese flexibel umsetzen“, beschreibt der gebürtige Steirer den Wandel des Unternehmens, der sich auch in Zahlen festmachen lässt. 2020 kamen rund 86 Prozent aus dem FM-Bereich, heute liegt man bei gut 60 Prozent. „Wir haben uns also diversifiziert und mit unserem Portfolio können wir alles aus einer Hand bieten“, so Angerer. Die Energie und Gebäudemanagement GmbH bietet, grob gesprochen, die Leistungen Haus- und Gebäudetechnik, Instandhaltung und Energiemanagement sowie Immobilienentwicklung. Die von Alen Music und Roland Schuch geführte Infrastruktur Services GmbH deckt die Bereiche Reinigung, Grünflächenbetreuung und Winterdienst ab.

Gemeinsam betreuen die Teams mehr als 800 Immobilien mit einer Fläche von rund 1,8 Millionen Quadratmetern. Die Palette reicht von der Errichtung neuer Objekte über die Wartung und Instandhaltung bis hin zur Nachrüstung von Bestandsimmobilien. Für nächstes Jahr sieht der Plan vor, dass die beiden Unternehmen gemeinsam einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro erwirtschaften. Thomas Angerer wird die weitere Entwicklung der immOH! nicht mehr begleiten. Er wird ab Anfang 2026 in die Geschäftsführung der Wiener Netze aufrücken. Damit schließt sich für den Manager ein Kreis, war er doch schon vor dem FM-Engagement sieben Jahre in der Wien Energie GmbH mit einer Prokura betraut.

Wie er den Markt und seine Veränderungen sieht, wieso es ihm wichtig ist, Komplettanbieter zu sein und warum er die Dekarbonisierung als Teil des Ganzen sieht, lesen Sie im Exklusivinterview.

Interview: Thomas Angerer

Building Times: Der Markt für FM Services soll sich bis 2027 deutlich ausweiten, so ein aktueller Bericht. Sehen Sie dieses Wachstumspotenzial auch?

Thomas Angerer: Ja, die Technologie wird komplexer und die damit verbundenen Agenden, die zum Facility Management dazugehören, wie Nachhaltigkeit und ESG werden mehr. Ebenso wirken die Themen Raus-aus-Gas und Digitialisierung auf die Sparte ein. Es gibt also viel mehr zu tun und damit einher geht auch der Trend der Fremdvergabe von Leistungen, weil eben überall Expert:innen gebraucht werden, die sich laufend mit den Themen beschäftigen.

BT: Diese Expert:innen haben Sie?

Angerer: Ja, weil als Anbieter von Facility Services hat man ein sehr breites Portfolio an technischem Wissen, das es ermöglicht, die verschiedensten Themen zu bearbeiten. Ich denke, wir leben einfach in einer Zeit, in der die Komplexität zum Alltag gehört.

BT: Sie bieten infrastrukturelles FM in der Tochterfirma und technisches FM in der Mutterfirma. Welcher Bereich überwiegt?

Angerer: Ein wenig der technische Bereich. Uns ist aber wichtig, dass wir alles aus einer Hand anbieten können, weil die Dinge ja häufig ineinandergreifen. Wir orientieren uns dabei an den Kundenbedürfnissen. Im technischen Bereich bieten wir nicht nur FM-Dienste an, da bieten wir auch Errichtungsleistungen an. Auch bei Raus-aus-Gas und in der Sparte Photovoltaik sind wir mit dabei. Wir haben auch Sicherheitsdienstleistungen und die Immobilienentwicklung im Portfolio. Da hängt einiges an Technik dran, weshalb dieser Bereich etwas stärker ist.

BT: Wo endet Ihr Portfolio dann?

Angerer: Wir sind bestrebt, von der Grundstücksgrenze bis ins Gebäude alle Dienstleistungen abwickeln zu können. Das reicht dann eben von der Errichtung über die Wartung und Betreuung, das grenzt uns vom Markt ein wenig ab.

BT: Welche Sicherheitsdienstleistungen erbringen Sie konkret?

Angerer: Gemeint sind damit sicherheitstechnische Dinge im Bereich Arbeitssicherheit. Da überprüfen wir Objekte und Anlagen bei Kunden hinsichtlich des Arbeitnehmerschutzes, dass diese den geltenden Bestimmungen entsprechen. Dazu gehören aber auch Portierdienste. Hier am Standort haben wir beispielsweise einen Portierdienst, der die Einfahrt zur Müllverbrennungsanlage betreut. Als Add-On machen wir im konkreten Fall die Betreuung der Brückenwaage. Wir machen aber auch ganz gewöhnlichen Portierdienst.

BT: immOH! gehört zu den größten Facility Dienstleisterinnen in Österreich. Was können Sie besser als andere?

Angerer: Für mich ist wichtig, dass man konzentriert und fokussiert seine Aufgaben erledigt. Wir haben uns 2020 fokussiert und unsere Geschäftsfelder definiert und ausgeweitet. 2020 kamen rund 86 Prozent aus dem FM-Bereich, heute liegen wir bei gut 60 Prozent. Wir haben uns also diversifiziert und mit unserem Portfolio können wir alles aus einer Hand bieten.

BT: Gibt es Themen, die Sie noch für ausbaubar halten?

Angerer: Ja, wir sind auch professioneller geworden, wenn spontan Dinge an uns herangetragen wurden, dass wir diese umsetzen.

BT: Das heißt flexibler?

Angerer: Nicht nur, auch professioneller. Ich denke, hier hat Corona uns allen einen Schub gebracht.

BT: Die Dekarbonisierung des Gebäudebestands ist eine große Herausforderung. Hat sich immOH! in dieses Geschäftsfeld schon eingeklinkt?

Angerer: Ich denke hier in zwei Richtungen. Einerseits ist das ein Geschäftsfeld, das andere eine Ausrichtung, die zum normalen Alltagsgeschäft einfach dazugehört. Es ist kein reines Geschäftsfeld. Ich komme aus dem Energiebereich und weiß, dass die Welt sich verändert hat. Früher waren bei der Energieversorgung die Qualität und der Preis entscheidend. Heute soll es dazu ergänzend noch Grün sein. Und inzwischen sind wir so weit, dass ohne Grün nichts mehr geht. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Gebäudebetreiber, der ein modernes dekarbonisiertes Gebäude hat, einen FM-Dienstleister nimmt, der dieses Thema nicht in der DNA hat. Somit ist das ganze für mich kein Geschäftsfeld, sondern es muss integrierter Bestandteil der Firma sein.

BT: Sie bieten Errichtungsleistungen. Was genau ist das?

Angerer: Wir bieten Anlagen zu Raus-aus-Gas in der Wärmeversorgung und Photovoltaik.

BT: Gibt es zu Raus-aus-Gas ein aktuelles Vorzeigeprojekt?

Angerer: Wir bearbeiten ein Gründerzeithaus, bei dem wir die gesamte Bestandsaufnahme machen, um die Grundlage für ein Energiemanagement zu erhalten. Es ist nicht so einfach, in einem Gründerzeithaus die relevanten Informationen in Echtzeit zu generieren. In vielen Gebäuden hat man nur einen Messwert pro Jahr.

BT: Ist das ein Wohngebäude?

Angerer: Ja, und das ist sehr spannend. Der nächste Schritt wird dann die Frage der technologischen Umrüstung sein. Das ist auch deshalb wertvoll, um Wissen im Konzern zu generieren und zu erhalten.

BT: Das heißt, die Wien Energie ist dabei?

Angerer: Es ist die Schwestergesellschaft dabei, in deren Eigentum das Gebäude steht.

BT: Sie entwickeln auch selbst Immobilien. Warum?

Angerer: Ja, auch hier versuchen wir unser Wissen einzubringen. Das erste Projekt war mit Fernwärme versorgt, das zweite wird mit einer Kombination aus Wärmepumpe und Photovoltaik versorgt und ist Greenpass-zertifiziert. Bei diesem Projekt wurde auch natürliche Kühlung installiert.

BT: Machen Sie da die Arbeit, die normalerweise Gebäudetechnikplaner;innen oder Energieplaner:innen machen?

Angerer: Nein, wir nutzen natürlich das ganze Portfolio an Planer:innen und Architekt:innen für unsere Projekte. Wir schreiben das Projekt auch aus.

BT: Ist es generell die Aufgabe eines im Eigentum der Stadt stehenden FM-Unternehmens einen Wohnbau in Mödling zu errichten?

Angerer: Was sollte dagegen sprechen?

BT: Sie gehen damit in ein Feld mit vielen Akteur:innen, in dem es derzeit laufend Insolvenzen gibt.

Angerer: Für uns ist das eine Nische. Wir bewegen uns in einem Bereich mit rund zwanzig Wohnungen. Wir sind kein großer Entwickler, aber es passt ganz gut in den generellen Aufbau der immOH!. Wir haben gerade ein Projekt in Mödling gemacht und es ist uns gut gegangen dabei.

BT: Haben Sie vor, auch in den geförderten Wohnbau zu gehen?

Angerer: Nein, aber wir sind in der Entwicklung eines weiteren, überschaubaren, freifinanzierten Projektes.

BT: Die Stadt Wien hält ungefähr 220.00 Wohnungen, viele davon heizen noch mit Gas. Wirken Sie mit, um das zu ändern?

Angerer: Wir sind im Markt tätig. Wenn Wiener Wohnen ein Projekt ausschreibt, werden wir uns bewerben. Wir sind ein wettbewerbsorientiertes Unternehmen und müssen schauen, dass wir Aufträge erhalten.

BT: Haben Sie derzeit genug Aufträge?

Angerer: Ja, wir sind in den letzten Jahren sehr schnell gewachsen und es ist wichtig, dieses Wachstum auch zu stemmen. Der Markt in Wien ist riesengroß.

BT: Könnte sich ein:e Zinshauseigentümer:in an die immOH! wenden, um raus aus Gas zu kommen?

Angerer: Ja, das könnte sie oder er. Wir würden uns das Gebäude anschauen, dafür haben wir die technische Expertise. Unser Fokus ist aber nicht der großvolumige Wohnbau, wir sehen uns eher im mittleren Bereich.

BT: Der Schwerpunkt der immOH! sind aber vermutlich Büro- und Verwaltungsgebäude der Stadt und ihrer vielen Unternehmen, oder?

Angerer: Unser Schwerpunkt ist Wien und Umgebung. Da hat man alle Hände voll zu tun, wir sind aber vereinzelt auch in Oberösterreich und der Steiermark tätig. Und es würde zu kurz greifen, nur von Büros zu sprechen, wir haben auch Bildungsbauten und Industriebetriebe im Portfolio.

BT: Wie viele Mitarbeiter:innen sind in beiden Firmen beschäftigt?

Angerer: In beiden Unternehmen sind es insgesamt 950 Mitarbeiter:innen.

BT: Wie viele davon sind technische Fachkräfte?

Angerer: Rund zweihundert.

BT: Die FM-Verträge sind traditionell sehr kurzfristig ausgelegt. Ändert das Streben nach Nachhaltigkeit daran etwas?
Angerer: Es ist eine Mischung. Der Preisdruck ist immer da. In den letzten Jahren hat die Qualitäts- und Umweltkomponente aber an Wert gewonnen. Es gab aber schon Ausschreibungen, wo die Qualität einen zweistelligen Prozentwert eingenommen hat. Es gibt auch Ausschreibungen, wo der CO2-Fußabdruck des FM-Anbieters gefragt ist.

BT: Verlangen das eher internationale Unternehmen?

Angerer: Nein, nicht nur, auch städtische wollen das, womit sich das Thema in die Breite entwickelt.

BT: Was werfen Sie in die Waage beim CO2-Fußabdruck?

Angerer: Das, was es ist. 2021 haben wir das erste Mal den Fußabdruck erhoben, damit wir wissen, wo wir stehen und haben die Verringerung im Unternehmensziel und der Strategie integriert.

BT: Wo geht eine Reduktion?

Angerer: Wir hatten Kältemaschinen im Portfolio, dieses Geschäftsfeld haben wir verlassen. Beim Stromzukauf haben wir umgestellt. Beim Fuhrpark gehen wir zunehmend in die E-Mobilität. Unsere Mutter, die Stadtwerke, sind ein Klimaschutzkonzern, da leisten wir unseren Beitrag.

BT: Sehen Sie in Zukunft den FM-Dienstleister mit dem Lastenrad kommen?

Angerer: Die Logistik ist ein spannendes Feld, da wird es Veränderungen geben, ob die von Ihnen genannte kommt, weiß ich nicht. Fest steht für mich, dass das Thema Nachhaltigkeit umfassend betrachtet werden muss, da letztlich auch die jungen Mitarbeiter:innen nicht einfach irgendwo arbeiten wollen.

BT: Wie viele neue Mitarbeiter:innen suchen Sie aktuell?

Angerer: Wir suchen laufend neue Mitarbeiter:innen, von der Reinigungskraft bis zur Juristin

BT: Wie viele ihrer Dienstleistungen erbringt immOH! in Immobilien, die letztlich nicht der Stadt Wien unterliegen?

Angerer: Es gibt Ausschreibungen, bei denen wir mitmachen und wo wir mitten im Wettbewerb stehen mit anderen. Zum Beispiel haben wir bei einer Ausschreibung von einer Schule mitgemacht. Manche davon gewinnen wir, andere nicht.

BT: Sie sind aber kein Diskonter und machen auch Gewinne?

Angerer: Wir sind kein Diskonter und machen Gewinne. Wir sind auch nicht bei jeder Ausschreibung dabei.

BT: Beschäftigen Sie auch Subfirmen oder werden die Dienstleistungen ausschließlich mit Eigenpersonal erbracht?

Angerer: Fallweise und in jenen Bereichen, die wir selbst technisch nicht abdecken, etwa bei Aufzügen, Kältemaschinen oder Brandmeldeanlagen. Da sind Spezialist:innen dabei. Im infrastrukturellen Service haben wir eine Eigenerfüllungsquote von rund 90 Prozent. Das ist uns wichtig, weil es letztlich auf die Qualität der Arbeitsplätze abfärbt, weil die Arbeitszeiten passen.

BT: Die KI bietet einen Zugang zur technischen Betreuung von Anlagen, genutzt wird sie wenig. Wo stehen Sie da?

Angerer: Wir versuchen uns in Anwendungen. Zum Beispiel im Bereich Energiemangement, wo wir besonders dort, wo wenig Messwerte vorhanden sind, Intelligenz brauchen.

BT: Das ist spezielle Software?

Angerer: Ja, da sind wir mitten in der Anwendung. Wir haben im Haus auch einen kleinen F&E-Bereich aufgebaut, der sich mit diesen Themen beschäftigt und auch mit BIM aus der FM-Sicht. Auch was Störmeldungen betrifft, versuchen wir in Richtung Echtzeit-Dienstleistungserfüllung zu gehen. Dazu läuft gerade ein Test, bei dem wir lernen, mit dem großen Informationsfluss umzugehen.

BT: Gibt es bei Ihren Eigenprojekten eine durchgehende BIM-Informationskette?

Angerer: Jein. Wir versuchen aber, in der FM-Standardisierung etwas zu bewegen in diese Richtung. Gerade im Bestand ist das ein herausforderndes Thema. Die Technik hat sich aber weiterentwickelt, was die Aufarbeitung von bestehenden Anlagen betrifft.

BT: Was ist Ihr derzeit liebstes Projekt?

Angerer: Die immOH!. Begonnen hat es mit dem Branding-Projekt, das auch ein Kultur- und Werteprojekt ist. Das ist sicher ein Herzensthema. Auch die Schule in der Hineysgasse, wo wir mit FM gemeinsam mit Wienwork etwas für das Gemeinwohl tun, ist mir sehr wichtig. Ebenso erfreulich und wichtig ist mir die Immobilienentwicklung, die wir von Null weg aufgebaut haben. Und natürlich die Diversität innerhalb unserer Belegschaft. Bei uns werden rund zwanzig Sprachen gesprochen, wir legen Wert darauf, die damit verbundene Breite zu leben. Das macht uns stärker und krisenresilienter.

BT: Was wünschen Sie sich für die nächsten 5 Jahre der immOH! ?

Angerer: Dass das Team weiter auf dem Weg bleibt.

BT: Letzte Frage: Womit verbringen Sie Ihre Freizeit?

Angerer: Ich habe einen alten VW Käfer aus dem Jahr 1967. Daran bastele ich gern rum oder fahre umher. Auch Fußball ist ein großes Thema. Wenn es sich ausgeht, schau ich mir die Spiele im Stadion an und unterstütze meine Mannschaft. Aber als Vater und Familienmensch verbringe ich die meiste freie Zeit mit meiner Familie.