Voll auf Zug

Peter Schnieper, Geschäftsführer von Schindler Österreich, über das Rekordjahr 2018, die digitalen Potenziale des Aufzugs, den damit verbundenen Umgang mit Daten und den ganz speziellen Fachkräftemangel.

Building Times: Hr. Schnieper, moderne Aufzüge fahren schnell, leise und effizient. In welchen Bereichen erwarten Sie in der Zukunft die größten Innovationen?

Schnieper: Viel von dem, was den ursprünglichen Aufzug ausmacht, ist erfüllt. In den letzten Jahren gab es die Tendenz, den vorhandenen Raum besser auszunutzen. Bei Standardaufzügen hat man beispielsweise keine Maschinenräume mehr. Die gesamte Technik ist kleiner geworden und im Schacht oder auch im Türrahmen verbaut. Bei der Geschwindigkeit wird es im Bereich der Hochleistungsaufzüge im High End-Segment noch Verbesserungen geben. Die kommen aber in Europa kaum zum Einsatz. Die Elektronik hat insgesamt dazu geführt, dass die Antriebe effizienter sind. Da gibt es noch weitere kleine Fortschritte. Dann ist der Aufzug, so wie wir ihn aus dem Alltag kennen, ziemlich ausgereift. Eine gewisse Veränderung gibt es bei den Materialien. Blech wird aus Gewichtsgründen vermehrt durch Kunststoff ersetzt werden.

BT: Das heißt, es gibt keine großen Sprünge mehr, oder?

Schnieper: Die Entwicklung geht auch bei den Aufzügen in eine andere Richtung, so wie wir sie auch aus der Automobilindustrie kennen. Die Vernetzung mit dem Internet wird kommen, oder ist eben schon da.

BT: Gibt es dafür schon installierte Beispiele in Österreich?

Schnieper: Grundsätzlich liefern wir seit Jahresbeginn nur mehr Aufzüge aus, die internetfähig sind. Das heißt nicht, dass sie auch im Netz sind. Aber es gibt erste Kunden, die die Nutzung des Netzes forcieren. Dabei geht es nicht nur um die Vernetzung nach außen, auch die interne Vernetzung eröffnet neue Möglichkeiten. Bei Aufzügen mit Zielrufsteuerung bringt Sie heute der Aufzug in das Stockwerk, in das Sie müssen. Das ist erprobt und lässt sich natürlich ausbauen, der Aufzug hat das Zeug zum Personenfluss-Steuerungsgerät. In Zeiten, in denen der Empfang nicht besetzt ist, kann zum Beispiel der Zutritt mittels Code erfolge. Wenn die Person dann im Gebäude ist, wird automatisch der Aufzug geöffnet, der den Besucher in die richtige Etage bringt. Dort würde sich wieder die Tür automatisch entriegeln. Bei uns hießt das Produkt dazu Myport.

BT: Gibt es erste Anwender?

Schnieper: Das sind Dinge die vereinzelt schon bestellt werden. Im Icon-Bürohaus am Hauptbahnhof werden einzelne Etagen damit ausgerüstet. Das ist das Gute an dieser Lösung, sie kann etagenweise und somit kundenbezogen zum Einsatz gebracht werden.

BT: Damit wird der Aufzug zum Teil eines Zutrittssystems?

Schnieper: Ja, weil der Aufzug in vielen neuen Gebäuden das Nadelöhr ist, wo jeder durch muss.

BT: Ist es denkbar, dass man auch die Lohnverrechnung oder die Lüftungssteuerung über den Aufzug spielt?

Schnieper: Denkbar ist unheimlich viel. Es ist aber bei einem vernetzten Aufzug so wie bei jedem anderen Gerät – da werden Daten gesammelt. Bislang wurden viele gesammelte Daten nicht ausgewertet, weil das Interesse gar nicht vorhanden war. Theoretisch wäre es keine Schwierigkeit, festzustellen, wer wann in ein Gebäude kommt und wieder geht oder wer mittags in das Personalrestaurant fährt. Diese Daten könnte man sammeln. Wir tun es nicht, weil es nicht erlaubt ist und weil das auch eine Entscheidung des Gebäudebetreibers ist. Da sind wir sehr rasch bei der Frage, wer darf was mit welchen Daten. Theoretisch sind auch Bildaufnahmen möglich. Wir arbeiten und forschen an solchen Entwicklungen, im Standard-Aufzug sind sie aber nicht installiert.

BT: Wann wird es soweit sein und wie funktioniert das konkret?

Schnieper: Unser System nennt sich Schindler-Ahead, dessen Herzstück der Cube ist. Das ist ein kleiner Computer, der Unmengen von Daten sammelt. Sobald Sie in einen Aufzug einsteigen, gibt es schon jede Menge Daten. In Summe ergibt das im Betrieb Millionen von Daten. Der Cube selektiert und gibt die Daten an den Betreiber oder an uns selbst weiter. Das Gesamtsystem besteht aus Hardware und Software.

BT: Wem gehören die Daten?

Schnieper: Das ist noch genau zu klären. Wir sind gerade dabei, die entsprechenden Verträge für die bereits verkauften Systeme zu erstellen. Die Verträge entwickeln sich eigentlich so wie die Produkte selbst. Wir hatten früher ein langlebiges Geschäft, jetzt haben wir Produkte, die vielleicht in drei Monaten ganz anders aussehen. Das ist neu für uns und für viele andere Branchen auch. Wir werden versuchen, möglichst viele Daten für uns zu nutzen, weil sie in die Kernkompetenz gehören. Die Algorithmen der Aufzugssteuerung zum Beispiel sind bei großen Bürotürmen entscheidend für die Effizienz. Dann gibt es heute noch viele Daten, die gar nicht genutzt werden. Sobald sie genutzt werden, muss aber die Frage der Nutzung eindeutig geklärt sein.

BT: Für wen könnten die Aufzugsdaten interessant sein?

Schnieper: Zum Beispiel könnte für Geschäfte und Lokale interessant sein, wann die Leute ein Gebäude verlassen. Ein Aufzug weiß das. Es gibt in Österreich etwa 110.000 Aufzüge, die pro Tag ein paar hundert Fahrten absolvieren. Das kommt eine gewaltige Datenmenge zusammen.

BT: Gibt es bei Schindler die Idee, Bildschirme in Aufzüge einzubauen?

Schnieper: Ja, die gibt es. Mit der Vernetzung lassen sich die Inhalte individuell gestalten. Der Betreiber hat damit viele Möglichkeiten. Dazu laufen bei uns diverse Überlegungen. Es geht auch darum, welche Rolle wir da künftig einnehmen.

BT: Es gibt mit View einen kleinen Anbieter, der dazu ein Produkt entwickelt hat. Wäre das interessant?

Schnieper: Ja, das ist es, Hr. Schober von View hat sein Handwerk auch bei uns gelernt (lacht). Wir sind mit ihm im Gespräch; es gibt aber weltweit hunderte Schobers, wir hüten uns davor, diese Start-ups zu belächeln. Es können sich in Zukunft ganz neue Partnerschaften ergeben.

BT: Was Sie aber bereits aufzeichnen, ist die Zahl der Fahrten, um die Wartung zu optimieren, oder?

Schnieper: Jeder Aufzug zeichnet das seit mehr als zehn Jahren auf. Die fahrtengesteuerte Wartung gibt es noch nicht, die kommt aber. Die Wartungen sind länderspezifisch geregelt. In Spanien muss ein Aufzug zwölf Mal im Jahr aufgesucht werden, in Österreich nicht. Hier beruht die Wartung auf Normen und Richtlinien, die auch die Nutzung mit berücksichtigen. Im Normalfall wird ein Schindler-Aufzug in Österreich zweimal gewartet und zweimal erfolgt eine Inspektion. Die macht heute noch ein Techniker vor Ort, ein Teil davon wird in Zukunft per Fernwartung erledigt werden. Der Servicemann fährt dann nur hin, wenn etwas nicht in Ordnung ist.

BT: Das heißt, Sie brauchen künftig weniger Personal?

Schnieper: Es gehen keine Jobs verloren. Wir haben nicht das Problem, dass wir zu viele Leute haben, sondern zu wenige. Die Technik wird die Situation entschärfen. Wir haben heute in Vorarlberg bereits das Problem, dass wir fast keine qualifizierten Techniker finden. Dazu kommt, dass wir heute wissen, dass in den kommenden sechs Jahren rund 20 Prozent unserer Belegschaft in Pension gehen.

BT: Welche Berufsgruppen fehlen Ihnen denn konkret?

Schnieper: Die Aufzugsbranche ist da ganz speziell. Wir haben Uralt-Technologie aus den 50er- und 60er-Jahren, und wir haben seit einiger Zeit die IT-Komponente mit an Bord. Das erfordert einen immensen Spagat, denn nach Möglichkeit sollte ja ein Techniker ein möglichst breites Feld abdecken. Früher hatten wir Schlosser, Mechaniker und Elektriker, heute sind es vermehrt Mechatroniker und HTL-Absolventen, etwa aus dem Maschinenbau. Auch neue Berufsbilder, wie IT und Medientechnik, stehen in Zukunft im Fokus. Wir brauchen trotzdem Generalisten, denn wir können keinen Notdienst aufrechterhalten, wo jeweils ein Spezialist für ein Problem losfährt.

BT: Wie viele Leute fehlen Ihnen aktuell in Österreich?

Schnieper: Wir sind in Summe, inklusive aller Tochterfirmen, etwa 800 und würden vierzig Mitarbeiter benötigen. Wir tun aber auch etwas dafür, wir werden heuer rund 130.000 Euro für Rekrutierungen ausgeben. Wir intensivieren auch unser Engagement mit dem AMS. Eine Idee dazu ist es, jungen Menschen die Möglichkeit des Hineinschnupperns in den Monteurjob zu geben. Dazu gehört es auch, sich mit der Arbeit am Seil und Höhentrainings zu beschäftigen.

BT: Es wird derzeit enorm viel gebaut. Wird 2018 für Schindler Österreich ein herausragendes Jahr?

Schnieper: Wir haben das Glück, dass wir in einer hervorragenden Branche agieren. Die Städte wachsen, die Leute werden älter und der Wohlstand steigt. All das führt dazu, dass mehr und mehr in die Höhe gebaut wird. Das hat zur Folge, dass wir nahezu konjunkturunabhängig wachsen. Hier in Österreich steht die Bautätigkeit jetzt auf dem Höhepunkt. Das zwingt uns dazu, genau zu schauen, was wir wann in diesem Jahr liefern und einbauen können. Das ist mit ein Grund für die Etablierung der Montage-GmbH.

BT: Sie sind also mit Ressourcenknappheit konfrontiert. Verstärken Änderungen im Bauplan diese Thematik?

Schnieper: Wir sind relativ flexibel. Bei Großprojekten gibt das Projekt den Takt vor. Demgegenüber steht der mengenmäßig viel größere Wohnbau, wo sich Dinge vorziehen lassen. Das Planen wird aber erschwert, weil auch am Bau die Arbeiter fehlen.

BT: Aber 2018 wird trotzdem ein sehr gutes Jahr?

Schnieper: Es wird ganz klar das Jahr sein, in dem Schindler so viele Aufzüge verbaut hat wie nie.

BT: In Österreich?

Schnieper: Ja, und weltweit auch.

BT: Verdient man mit dem klassischen Wohnbauaufzug auch Geld?

Schnieper: Wenn es gut läuft und alles passt, geht es sich aus. Es ist aber kein Geheimnis, dass die Aufzugsbrache vom Wartungsgeschäft lebt. An einem Aufzug lässt sich relativ wenig verdienen.

BT: Wieviel trägt Österreich zum Gesamtumsatz von Schindler bei?

Schnieper: Die Gruppe wird heuer einen Umsatz von 10 Milliarden Schweizer Franken erzielen. Österreich wird sich daran mit 150 bis 200 Millionen Euro beteiligen. Wir sind damit klar die Nummer 1.

BT: Die Nachrüstung von Alt-Aufzügen war lange Zeit ein großes Thema. Ist das durch?

Schnieper: Das ist in Österreich, so wie in der Schweiz, länderspezifisch. In Wien, Kärnten, Vorarlberg und Salzburg ist das weitgehend erledigt. Tirol, die Steiermark und Niederösterreich sind am Laufen. Noch nichts gemacht hat Oberösterreich.

BT: Wie steht es insgesamt um die gesetzlichen Rahmenbedingungen, erschweren die Ihre Arbeit?

Schnieper: Der gesetzliche Rahmen ist schon sehr eng. Wien zum Beispiel hat eine eigene Aufzugsgesetzgebung. Der Schindler-Konzern produziert extra für Wien ein Drucktastentableau. Die Tastenhöhe für Barrierefreiheit beträgt weltweit 110 Zentimeter, in Wien sind es 100.

BT: Wie halten Sie es persönlich mit der Nutzung von Aufzügen?

Schnieper: Ich sage immer, rauf gehen und hinunter fahren. Es ist erwiesen, dass die meisten Unfälle beim Stufensteigen nach unten passieren.

BT: Letzte Frage: Sie verfügen in Wien über ein sehr großes Grundstück. Was wird damit geschehen?

Schnieper: Es sind rund 60.000 m², die wir für das Unternehmen nicht brauchen. Wir machen uns deshalb Gedanken und werden das Areal in Abstimmung mit der Stadt in den nächsten Jahren entwickeln. Es gibt aber kein aktuelles Projekt.