Innovation: Textilfassade als Luftfilter

Der Immobilienentwickler ECE hat in Hamburg die weltweit erste Textilfassade getestet, die gesundheitsschädliche Stickoxide aus der Luft filtert. Ergebnis: Die Schadstoffbelastung sinkt um ein Drittel.

Der Immobilienentwickler ECE wollte es wissen: Unter wissenschaftlicher Begleitung der RWTH Aachen University hat die ECE an ihrem Unternehmenscampus in Hamburg an einem Bürohaus die weltweit erste Textilfassade getestet, die gesundheitsschädliche Stickoxide aus der Luft filtert. Nach Ende der fast zweijährigen Testphase liegen jetzt erste Ergebnisse vor: Mit dem textilen Luftfilter konnte die Schadstoffbelastung um ein Drittel reduziert werden. Unter Laborbedingungen waren laut RWTH sogar 55 Prozent weniger Stickoxide in der Luft. Ein Folgeprojekt ist mit der ECE-Unternehmensstiftung „Lebendige Stadt“ geplant, um weitere Erfahrungen mit der Technologie zu sammeln.

Filter und Sonnenschutz

Von Februar 2020 bis diesen Dezember war die 16,5 Meter hohe und 4,8 Meter breite Textilplane an der Außenwand des ECE-Bürogebäudes direkt am stark befahrenen Saseler Damm (Ring 3) in Hamburg montiert. Der neuartige textile Luftfilter bindet schädliche Stickoxide (NO und NO2), die durch Autoabgase entstehen. Darüber hinaus dient die Textilfläche aber auch als außenliegender Sonnenschutz. Studien haben gezeigt, dass die neuartige Gebäudehülle bis zu 78 Prozent der solaren Kühllasten von Häusern reduzieren kann – und auf diese Weise deren CO2-Emissionen verringert.

Anti-Smog-Beschichtung als Wirkstoff

Das Geheimnis der Textilfassade: Sie ist mit einer photokatalytischen Anti-Smog-Beschichtung versehen, die gesundheitsgefährdende Luftschadstoffe abbaut. Das Wundermittel, mit dem die Textilfassade beschichtet ist, heißt Nanotitandioxid. Es wird aus dem natürlichen Metall Titandioxid hergestellt, das unter Lichteinfluss und Luftfeuchtigkeit schädliche Stickoxide in Nitrat umwandelt, das beim nächsten Regen einfach ausgewaschen wird und als Dünger in den Boden gelangt. Im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung nahm die RWTH Aachen das Regenwasser genau unter die Lupe. Das Ergebnis: Die Nitratkonzentrationen der entnommenen Proben an der Fassade waren völlig unbedenklich – das Regenwasser hielt die EU-Nitratgrenzwerte von Trinkwasser ein.

Intensiv gemessen & freie Sicht

Bei dem ECE-Pilotprojekt ermöglichte ein aufwändiges Messverfahren mit Sensoren und digitaler Messtechnik an der Fassade ein Live-Monitoring. Gemessen wurden sowohl die Auswirkungen auf den Innenraum des Gebäudes als auch die Fernwirkung auf den urbanen Außenraum.

Über die nachgewiesene Filterleistung und die Reduktion der CO2-Emissionen hinaus zeichnet sich die neuartige Textilfassade durch weitere nachhaltige Aspekte aus: So lassen sich mit der textilen Hülle auf einfache Weise Häuserfassaden verschönern. Nach der Nutzungsphase am Gebäude kann das Textilgewebe außerdem zu 100 Prozent kreislaufgerecht recycelt werden. Für die Menschen im Gebäude entsteht durch die Textilhülle zudem keine Beeinträchtigung: Sie haben aufgrund der besonderen Struktur des Textils freie Sicht nach draußen.

„Die luftreinigende Textilfassade wurde gezielt für den Umwelt- und Gesundheitsschutz entwickelt“, sagt Maria Hill, Director Sustainability & Corporate Communications bei der ECE Group Services. Wie wichtig eine Verbesserung der Luftqualität gerade in den Städten ist, zeigen aktuelle Zahlen der EU-Umweltagentur EEA. Ihren Angaben zufolge starben 2019 schätzungsweise 307.000 Menschen in der Europäischen Union vorzeitig durch die Belastung ihrer Umgebungsluft mit Feinstaub.

Folgeprojekt steht

Angesichts immer schärferer Gesetze zur Luftreinhaltung besteht auch für viele Kommunen dringender Handlungsbedarf. Die ECE-Unternehmensstiftung „Lebendige Stadt“ sucht deshalb nach Lösungen, um die Schadstoffbelastung in der Luft in urbanen Räumen weiter zu reduzieren. Nach dem erfolgreichen Forschungsprojekt am Unternehmenscampus soll es nun in einem Folgeprojekt der Stiftung „Lebendige Stadt“ darum gehen, die Außenwirkung einer solchen textilen Fassade im städtischen Raum genauer zu untersuchen.